Machen wir ein Buch?

Reise, Sachbuch, Belletristik ...?
Alle interessanten Themen;
alles was bewegt.

Hier geht´s weiter!

Marmor

Body: 

Das weiße Gold von Carrara

Kunst zum Preis der Naturzerstörung

Abbau in den Apuanischen Alpen: Miseglia, Colonnata, Torano

Marmor gehört zu den Steinen, die die größte Geschichte schrieben. Man findet ihn überall in Kunstwerken verewigt, als Engel, Schriftsteller, Obelisk, antiker Gott … Die wohl begehrteste Sorte des weißen Goldes stammt aus Carrara in den Apuanischen Alpen; Hauptabbaugebiete sind die Täler Torano, Miseglia und Colonnata, die sich fast parallel von Nordost nach Südwest erstrecken.

Mit der Ablagerung toter Organismen auf dem Grund eines längst vergangenen Meeres begann die Entstehung des Marmors. Ihr Sediment versteinerte im Laufe Millionen von Jahren. Als sich die europäische und afrikanische Kontinentalplatte aufeinander zuschoben, tauchte ein Gebirge aus dem Meer auf, die Apuanischen Alpen. Während dieses Prozesses wurde der Kalkstein gewaltigem Druck (Millionen Atmosphären) und Temperaturen von um die vierhundert Grad Celsius ausgesetzt. Dabei wandelt sich das Calcit des Kalkes zu anderen Kristallen: Marmor.

Bereits die alten Römer schnitten hier Blöcke des kostbaren Gesteins aus den Bergen. Von ihrer Abbautechnik erzählen noch heute ihre Marmorbrüche. Daneben entdeckt man den Abbau der Jetztzeit bzw. der Zeit vor ein paar Jahren. Alte Maschinen rosten vor sich hin, obwohl sie vor kurzem noch als neueste Technik von sich reden machten.

Früher nutzte man Keile oder sprengte den Fels, bis endlich ausreichend gute Sägen entwickelt wurden. Im Laufe der Jahrzehnte verfeinerte sich die Technik, so dass die Arbeiter heute binnen einer Stunde einen zwölf Quadratmeter großen Marmorblock schneiden. Früher kamen sie stündlich nur zehn Zentimeter weit.

Noch ist der Abbau lange nicht vorbei, denn Experten vermuten noch sechzig Milliarden Kubikmeter in der Region von Carrera (70 km²). Momentan schürfen Arbeiter in den nordöstlichen Apuanischen Alpen auf etwa zweihundert Hektar, in den Tälern Torano, Miseglia, Colonnata. Aus Torano stammen die Marmorsorten Statuario, Calacata und Statuario Venato, wohingegen Misgelia mit einem Dreihundert-Tonnen-Marmorblock von sich reden machte. 1928 gebrochen, diente "Il Monolite" später zur Ehrung Mussolinis.

Carrara gilt als Anarchisten- und Kommunistenstadt. Bereits im neunzehnten Jahrhundert kämpften die Arbeiter der Marmorbrüche um ihre Rechte, wurden drei Mal blutig niedergeschlagen. 1902 errangen sie jedoch Verträge, die das Leben deutlich verbesserten.

Naturschützer werden beim Anblick des geschundenen Gebirges freilich entsetzt sein. In jahrhundertelanger Arbeit trieben die Menschen Schneisen ins Gestein, trugen Berggipfel ab, schütteten Täler mit Schutt zu, fällten Bäume … So liegen die Berge nun kahl und zerklüftet vor den Augen des Betrachters. Sie glänzen weiß, wie nimmer schmelzender Schnee, unter dem unschuldig blauen Himmel.