Königliche Schwäne

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Die königlichen Schwäne

Auf der anderen Seite der Brücke erkennt man die Kaserne der Horse Guards,
die wie ein palladinisches Schiff anmutet, dessen Extravaganz eher nach Istanbul
paßte. Ein fremdartiges und zugleich prächtiges Schauspiel ist es, wenn ihre
vielen Dächer und Türmchen nach einem Regenschauer gegen das Grau funkeln.

Unter der Brücke machen es sich die Enten von St. James´s gemütlich sowie Flamingos
und die »königlichen« Schwäne, denn nahezu alle Schwäne in England gehören der
Krone und stehen unter ihrem Schutz wider kulinarische Gelüste, insbesondere
jene der Colleges von Oxford und Cambridge. Alljährlich findet ein als Swan-upping
bekanntgewordenes Ritual statt: der königliche Schwanenaufseher und seine Mannschaft
stechen in die See, um eine Woche lang die Schnäbel der jungen Schwäne zu kennzeichnen,
die kraft eines besonderen Vertrages nicht Eigentum des Souveräns sondern bestimmter
Berufsgruppen der City sind. Selbstverständlich werden die Schwäne der Königin
niemals gekennzeichnet. Dafür begegnet einem das Wappen der Krone überall, auf
Gebäuden, Laternenpfosten, Telefonhäuschen und hunderterlei Dingen, vom Kupferschild
an einem Pferdezügel bis zum Waffenrock eines Beefeater, eines Wachmanns im
Londoner Tower.

Von derselben Brücke in St. James´s aus erschließt sich uns außer dem Panorama
noch der verblüffende Anblick von Kindern und Erwachsenen, die unbeweglich und
aufs Äußerste konzentriert mit ausgestreckter Hand dastehen in der Hoffnung
- die selten trügt - dass Spatzen, Tauben und andere Bewohner der Örtlichkeiten
das dargebotene Futter aufpicken möchten.

Auf der entgegengesetzten Parkseite Pall Mall und das Viertel St. James - hocharistokratisch,
im 18. Jahrhundert für seine Dandies gerühmt - mit dem Waterloo-Platz als Mittelpunkt.
Hier stehen haufenweise Statuen von britischen Abenteurern, großen Seefahrern
und Entdeckern, überragt von der Säule des Herzogs von York, des Grand Old Duke
of York, dem zahlreiche Anekdoten gewidmet sind und sogar ein immer wieder gesungener
Kinderreim:

Oh the Grand Old Duke of York

He had ten thousand men

He marched them up to the top of the hill

And he marched them down again.

And when they were up they were up

And when they were down they were down

And when they were only half way up

They were neither up nor down.

Oh, der große alte Herzog von York

Der hatte zehntausend Mann.

Er ließ sie auf den Hügel hinaufmarschieren,

Dann ließ er sie wieder hinabmarschieren.

Und als sie oben waren, waren sie oben,

Und als sie unten waren, waren sie unten,

Und als sie auf halber Höhe waren,

Da waren sie weder oben noch unten.

Erklärt werden diese Scherze damit, dass nach dem Tod des Herzogs jedem britischen
Soldaten ein Tag Sold abgezogen worden sei, um das Denkmal zu errichten, worüber
die Geschröpften nicht eben Dankbarkeit für den Verblichenen empfanden. Außerdem
wird behauptet, dass die Statue nur deshalb auf einem so hohen Sockel stehe,
höher noch als jener des Nationalhelden Nelson auf dem Trafalgar Square, damit
der Herzog nicht mehr von seinen Gläubigern belästigt werden könne.