Ruhm und Ehre

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Ruhm und Ehre

Seit uralten Zeiten achtet der Grieche auf seinen Ruf, sorgt sich um seine
Ehre, ist er begierig nach Ruhm. Achill, wohl wissend, dass der Krieg von Troja
ihm zum Verhängnis würde, zögerte keinen Augenblick, daran teilzunehmen, denn
er würde sich damit einen Namen machen. Leonidas, König von Sparta, gab sich
keinen Illusionen über sein Schicksal hin als er mit nur dreihundert Soldaten
loszog, um bei den Thermopylen der mächtigen persischen Armee Einhalt zu gebieten.
Was ihn jedoch umtrieb, war sein - wenn auch posthumer - Ruhm: sein Name wäre
auf alle Zeiten im Gedächtnis der Menschen eingegraben. Bei ihrer Attacke gegen
die furchterregende Flotte des Xerxes vor Salamis wußten sich die Athener von
ihren Frauen, den Alten und Kindern ihrer Stadt hoch oben auf der Akropolis
beobachtet; ihre Ehre stand auf dem Spiel, es galt zu siegen oder zu sterben.
Als er die Aufschrift seines eigenen Epitaphs entwirft, erachtet Aischylos eine
Erwähnung seiner Theaterstücke und achtundzwanzig Siege bei dramatischen Wettbewerben
als belanglos. Ihm ist es wichtiger, der Nachwelt seine Teilnahme an der Schlacht
von Marathon in Erinnerung zu rufen und auf seinen Mut im Kampf gegen »die langhaarigen
Meder« anzuspielen.

In der philotimia (Ehrliebe) der Antike finden sich die Ursprünge des zeitgenössischen
philotimo, einem nur schwer zu umreißenden Begriff. Er bedeutet zugleich Ehrgefühl,
Würde, Stolz und Eigenliebe.

Die Abwesenheit des philotimo bei einem Mann führt dazu, dass er aus der Gemeinschaft
ausgestoßen wird, dass ihm die Verachtung von Viertel, Freunden und Familie entgegenschlägt.
Auch muß jede Beleidigung früher oder später gerächt, durch einen Akt in Einklang
mit der Tradition reingewaschen werden, der von Region zu Region unterschiedlich
ausfällt. Der gdikiomos, ein Brauch der Mani-Bewohner, der Kreter und aller
Griechen albanischer Abstammung, konnte früher bis zum Totschlag gehen, was
natürlich nicht ohne Dramen und Kriege zwischen den Sippen und ganzen Ortschaften
abging. Maniotische Familienoberhäupter, die noch ein Hühnchen miteinander zu
rupfen hatten, lieferten sich hartnäckige Verfolgungen, töteten einander oder
verbrachten ihr Leben in Berghöhlen.

Die Ehrauffassung der Frau betrifft vornehmlich ihre Beziehungen zu den Männern,
ihr Verhalten als unverheiratetes Mädchen oder Familienmutter, ihre Art zu sprechen,
sich zu kleiden oder die Dorfstraße zu überqueren. Man wird sie niemals alleine
im Café antreffen, wohinein sie nur im äußersten Notfall ihren Fuß setzt. Richtet
man in der Öffentlichkeit das Wort an sie, so gibt sie einfache und zurückhaltende
Antworten; ihr Verhalten ist zugleich natürlich und diskret. An allen Dorffesten
nimmt sie teil, singt und tanzt; aber auch hier wird ihr Auftreten durch eine
ganze Reihe von Vorschriften gelenkt. Auf dem Platz seines Dörfchens amüsiert
man sich anders als in einem Athener Nachtlokal.