Grenzen und Fahrpläne

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Zeitzonen, Grenzen und verpasste Züge

Sicherheitstips für die Reise in der Transsib

Fahrpläne & Pausen

An jedem Bahnhof und in jedem Transsib-Wagen hängen übersichtliche und leicht zu entziffernde Fahrpläne in kyrillischer Schrift. Planangaben erfolgen grundsätzlich nach Moskauer Ortszeit (Moskovskoe vremya). Wenn der Fahrplan die Ankunft in Irkutsk um 1.30h ankündigt, darf man sich also auf den Sonnenaufgang freuen. An manchen Bahnhöfen stehen die Fahrplandaten auch in Ortszeit (mestnoe vremya).

Die Dauer eines Zwischenhalts wird von jedem Fahrplan zuverlässig mitteilt. Erstaunlicherweise dienen diese Unterbrechungen der Fahrt nur dem Freizeitbedarf. So gut wie nie steigen Fahrgäste ein oder aus. Dafür werden rege die Kioske und Imbißverkäufer belagert. Zur Belustigung der Zeitgenossen darf jeder die abgeschlafften Gliedmaßen verrenken. Während Bahnangestellte, die »Hammermännchen«, die Fahrgestelle regelmäßig auf Atembeschwerden abhorchen, tauscht die Prowodnitza Neuigkeiten mit Bekannten aus. Davon scheint sie in jedem Bahnhof Sibiriens mindestens einen zu haben.

Zug verpasst!

Nach einem Bahnhofsstopp rollt der Zug signal- und geräuschlos wieder an. In der Regel hat die Prowodnitza ihre Schäfchen zwar im Auge und mahnt zum Einsteigen. Wer sich aber zu weit entfernt hatte, nicht mehr aufspringen kann/will oder nur noch die Rücklichter sieht, muß schnell entscheiden.

Zuverlässige Reisegefährten mit gesundem Menschenverstand im Abteil? Dann wenden Sie sich an das Bahnhofspersonal, das Ihnen einen Fahrschein für den nächsten Zug besorgt, der zum folgenden Haltebahnhof Ihres Transsib-Zuges fährt. Bauen Sie darauf, dass dort am Bahnsteig schon die Gefährten mit dem gesamten Gepäck und einer gehörigen Wut warten. Die Wut löst sich (wenn´s gute Gefährten sind) bald in Erleichterung, Wiedersehensfreude und allgemeines Gelächter auf.

Viel Gepäck, alle Wertsachen und keine Reisegefährten im Abteil? Werfen Sie einen Blick auf den Fahrplan. Prägen Sie sich den nächsten Haltebahnhof ein. Krallen Sie sich einen zuverlässig und ehrlich aussehenden Taxifahrer samt Fahrzeug – und ab dafür. In der Regel sollte jedes Taxi das Wettrennen mit dem Zug gewinnen. Zwar geht damit bestimmt ein dicker Dollar-Batzen flöten. Was meinen Sie aber, was später die Freunde daheim und noch später Ihre Enkel für Augen machen werden: Och, erzähl doch noch mal ...

Zeitzonen

Den »Jet Lag« kennt und fürchtet jeder Fernreisende. Der »Train Lag« ist dagegen eine Sache für Eingeweihte. Wenn eine Woche lang jeder Tag eine Stunde länger oder eine Stunde kürzer dauert als gewohnt, stellt die innere Uhr irgendwann beleidigt den Dienst ein.

Rußland, die Mongolei und China stellen vom letzten März- bis zum letzten Septemberwochenende wie die meisten europäischen Länder auf Sommerzeit um. Damit ergeben sich das ganze Jahr über folgende Zeitverschiebungen:

Berlin 12 Uhr = Moskau 14 Uhr = Jekaterinburg 16 Uhr = Nowosibirsk 18 Uhr = Irkutsk, Ulaan Baatar, Peking 19 Uhr.

Grenzübergänge

Wer nach Ulaan Baatar und/oder Peking reist, passiert mindestens eine Grenze. Westliche Reisende nehmen das nur als mehrstündige Wartezeit mit verschlossenen Toiletten in trostlosen Nestern wahr. Die Kontrolle von Paß, Visum, Zollerklärung und Gepäck läuft in der Regel kurz und schmerzlos ab. In dieser Zeit müssen alle Passagiere sich in ihrem Abteil aufhalten.

Wenn in Teilen des Einreiselandes gerade eine Epidemie grassiert (Cholera und Pest kommen in der Mongolei immer wieder vor), gesellt sich ein Amtsarzt zu den Zöllnern. Er wirft zwar ebenfalls in jedes Abteil nur einen kurzen Blick. Dafür empfiehlt es sich ganz und gar nicht, ein bißchen krank auszuschauen. Selbst wer sich etwas schlapp fühlt, zeige trotzdem nur seine Schokoladenseite. Einen Mitreisenden, der gerade eine kurze Nacht hinter sich hatte und wegen Durchfalls etwas malade in der Ecke lag, wollte die mongolische Ärztin gleich mitnehmen und einen Tag unter Quarantäne behalten. Nach zweistündigen Verhandlungen beließ sie es bei ernsten Mahnungen und der kostenlosen Gabe eines Anti-Durchfallpäckchens der Weltgesundheitsorganisation.

Im allgemeinen wird die Länge des Grenzaufenthaltes aber von den chinesischen Händlern, ihren rollenden Warenhäusern und ihrem Verhandlungsgeschick mit den Zöllnern bestimmt. Nehmen Sie auch auf Bitten vor der Grenze kein fremdes Gepäck in Ihr Abteil.

Während der Zollkontrolle dürfen Sie sich im Bahnhof, im gesamten Ort und (außer in der Mongolei) sogar auf den Gleisanlagen frei bewegen. In der Regel dürfen Sie (außer Amtspersonen) auch frei fotografieren.

In jedem Grenzort gibt es mindestens eine Bank, die Ihre Währungsvorräte des Ausreiselandes wechselt. Deren Ausfuhr ist ebenso illegal wie unnötig, da im Speisewagen nur noch die Währung des Einreiselandes angenommen wird.

In Erlian (Transmong-Strecke) und Manzhouli (Transmandsch-Strecke) bietet sich Touristen eine zusätzliche Attraktion: der Wechsel der Fahrgestelle, da weltweit allein Rußland und die Mongolei die breite 1623-mm-Spur benutzen. In gut zwei Stunden wird Wagen für Wagen der ganze Zug in großen Montagehallen in die Höhe geschraubt, seines alten Unterbaus entledigt und mit dem neuen versehen. Das ganze Prozedere dürfen Sie vom Abteil oder vom Boden aus miterleben und fotografieren. Dazu bleiben Sie nach der Paß- und Zollkontrolle im Zug sitzen, bis er 500 m weit in die Montagehalle zurückgeschoben wird. In der Halle können Sie aussteigen und frei herumgehen.

Sicherheit

Immer wieder machen Geschichten von Überfällen chinesischer und russischer Banden in der Transsib die Runde. Sie fänden meist kurz vor oder nach der Grenze statt, die Räuber seien mit Pistolen oder Messern bewaffnet, bedrohten Passagiere, griffen sich Geld, Waren und Pässe.

Mag sein. Ohne tatsächliche Vorkommnisse verharmlosen zu wollen, ist die Transsib aber bislang noch den wenigsten Reisenden als gefahrenträchtiger Ort erschienen. Im Zug reicht die Anwendung gesunden Menschenverstands. Wertsachen, Papiere und Kamera sollten nie offen herumliegen. Wenn schon die gesamte Abteilbesatzung auf den Bahnsteig oder in den Speisewagen geht, sollte man einen Abteilnachbarn um ein waches Auge bitten.

Das Türschloß ist mit jedem Taschenmesser mühelos zu öffnen. Wer nachts das Abteil von innen verschließen will, klappt den Sicherheitszapfen oben links an der Abteiltür auf und verhindert damit deren Aufschieben. Dieser Zapfen ist von außen gar nicht einzuklappen, wenn ein eingeklemmter Socken oder Papier sein Zurückschnappen verhindert.

Weitaus gefährlicher als die Züge dürften die großen Bahnhöfe entlang der Strecke und das Gedränge auf ihren Vorplätzen sein. Behalten Sie in Moskau, Irkutsk, Ulaan Baatar und Peking das gesamte Gepäck im Auge.

Für alleinreisende Frauen ist Rußland bestimmt nicht das einfachste Land. Im Zug selbst sollte allerdings wenig zu befürchten zu sein. Wenn Frau feststellt, dass sie ein Abteil mit drei fremden Männern teilt und dies nicht will, meldet sie sich schnellstens bei der Zugbegleiterin. Vor Fahrtantritt kann die Prowodnitza mühelos umdisponieren. Im Notfall geht dies während der Fahrt auch noch.