Geschichte

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Demographische Gründe für den Bau

Tragende Rolle in der Wirtschaft

Siedler & Güter

Neben militärischen und wirtschaftlichen hatten auch demographische Gründe für die Transsib gesprochen. Den übervölkerten Städten und Landstrichen im europäischen Teil Rußlands standen die verheißungsvollen, menschenleeren Weiten Sibiriens gegenüber. Bereits 1908 unternahmen über 700.000 Muschniks, einfache Bauern, den großen Treck nach Osten.

Nach der Oktoberrevolution übernahm die Transsib rasch eine tragende Rolle in den Wirtschaftsplänen der Sowjets, die in Sibirien eine Reihe von Industriezentren vorsahen. Da Stalin der Schwerindustrie Vorrang einräumte und sie bevorzugt östlich des Ural ansiedelte, wo sie vor Hitlers Zugriff geschützt blieb, entstand ein ganzes System von Bahnverbindungen und Stichstrecken zur Transsib. Unablässig wurden zwischen Ural und Baikal, Karaganda und Nowosibirsk schier endlose Güterzüge hin- und hergeschoben. Ein Beobachter vermerkte, die Transsib sei der eiserne Kompressionsriemen, der die Sowjetunion zusammengehalten habe.

Bereits 1940 erhielt Ulan-Ude eine neue Weiche: künftig sollten Züge nach Naushki an der Grenze zur Mongolei fahren können. Diese strategisch wichtige Strecke, die zudem den Handel mit dem Steppenland erleichterte, erreichte 1949 dessen Hauptstadt Ulaan Baatar. Zwischen 1953 und 1956 folgte dann deren Fortsetzung bis Peking.

Strecken

Die Transsib-Dimensionen sind auch heute noch enorm. Nehmen Sie doch mal eine Weltkarte zur Hand und vergleichen Sibirien mit Europa oder Nordamerika. Bedenken Sie dann, dass anders als im hochgeschwindigkeitssüchtigen Westeuropa nicht mit 150 oder 200 km Wegstrecke pro Stunde gerechnet wird. Hier geht´s um ganze oder halbe Tage.

Eigentlich versammeln sich unter dem Oberbegriff »Transsib« drei verschiedene, durchgehend zweigleisige Bahnstrecken, die sich allerdings erst östlich des Baikalsees teilen. Vier Tage lang befährt jeder Zug die »klassische« Transsib-Strecke von Moskau durch den Ural, die westsibirische Taiga, das mittelsibirische Bergland und entlang des Baikalsees. Am fünften Tag, hinter Ulan-Ude, zweigt die transmongolische Strecke nach Süden ab. Am sechsten Tag, kurz hinter Tschita, geht dann auch die transmandschurische Strecke eigene Wege.

Drei Varianten

Die Transmongolische Eisenbahn fährt von Moskau nach Peking, über Ulan-Ude, Naushki (russische Grenze), Ulaan Baatar und Erlian (chinesische Grenze). Visa für Rußland, Mongolei und China erforderlich.

Die Transmandschurische Eisenbahn fährt von Moskau nach Peking, über Ulan-Ude, Tschita, Manzhouli (chinesische Grenze), Harbin (Mandschurei) und Shenyang. Visa für Rußland und China erforderlich.

Die »echte« Transsibirische Eisenbahn fährt von Moskau nach Wladiwostok, über Ulan-Ude, Tschita und Chabarowsk. Visum nur für Rußland erforderlich. Von Wladiwostoks Nachbarhafen Nachodka läßt sich die Reise per Schiff ins japanische Yokohama fortsetzen.

Im folgenden soll nur von der ersten Strecke, der Transmongolischen Bahn, die Rede sein. Erstens weil wir (wie viele andere) sie für die reizvollste, abwechslungsreichste, schönste Transsib-Strecke halten. Zweitens weil dies ein Mongolei-Reiseführer ist.

Die Transmong-Strecke

Wer die Landschaft auf der Bahnfahrt von Warschau oder Budapest nach Moskau mochte, darf sich freuen – es geht hinter Moskau flach, grün und baumreich weiter. Die einzigen Erhebungen auf den ersten Bahntagen bietet der Ural. Bei nüchterner Betrachtungsweise möchte man diese mehrstündige Versammlung von bis zu 1600 m hohen, sanften Hügelketten nicht Gebirge nennen. Zum Gebirge wird der Ural erst in der Erinnerung, beim Durchqueren der endlosen Weiden und stoppelebenen Getreidefelder Westsibiriens.

Akzente setzen die ungezählten Flüsse und großen Ströme. Jenseits des Jenissej, der bei Krasnojarsk überquert wird, verdichtet sich dann die typische Taiga-Atmosphäre: unbesiedelte rauhe Wildnis mit eingesprenkelten Versammlungen von Birken und Kiefern, die sich hin und wieder zu dichten Wäldern entschließen. Je näher der Baikal rückt, desto unermeßlicher die Wälder.

Nach dem Transmong-Abzweig von der »echten« Transsib-Strecke ändert sich das Bild rasch. Die Bäume weichen den saftig-grünen Weiden des Selenge-Beckens, die allmählich in offene Grassteppen übergehen und hinter Ulaan Baatar immer weniger Vegetation tragen. Das flache Land rund um die Hauptstadt rollt sich zu sanften Hügeln auf, denen bald die Wüste Gobi ein sehr karges, sehr reizvolles Antlitz verleiht.

Jenseits der chinesischen Grenze in der Inneren Mongolei bleibt das Steppengefühl zunächst erhalten, bis sich ab Datong nur noch Beispiele chinesischen Fleißes in Bergbau, Industrie, Städtebau, Landbesiedlung und -wirtschaft ins Bild schieben. Landschaftlich reizvoll wird es erst wieder zwei Stunden vor Peking, weil zerklüftete Bergzüge mit der Großen Mauer die Bahntrasse für längere Zeit begleiten.

Der russische und der chinesische Streckenabschnitt sind zwei-, der mongolische Abschnitt ist eingleisig.

Wegmarken

Entlang der Bahnstrecken in Rußland, der Mongolei und China sind weiße Kilometersteine oder -tafeln angebracht, die beim Orientieren wunderbare Hilfe leisten und in allen Fahrplänen auftauchen. Damit läßt sich prima planen: ein Nickerchen in reizlosen Abschnitten, das Bahnsteigjoggen beim nächsten Zwischenstopp, die Vorfreude auf die nächste »Attraktion«.

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