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Nach den Pyramiden

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Nach den Pyramiden

Eines Tages zog man den Pyramiden unterirdische Grabräume in den Bergen vor:
die Hypogäen. Die Pharaonen ließen sich nun in Theben begraben. Doch verlor
das prestigeträchtige, strategisch wichtige Memphis deshalb seine Bedeutung
nicht. Das bedeutende Verwaltungszentrum, zugleich religiöser Mittelpunkt des
Landes sowie Sitz von Handel und Militär, wo die königlichen Ländereien lagen,
gab seine Nekropole in Sakkara nicht auf. Die Grabkultur schwang sich im Gegenteil
zu neuer Blüte auf und ihre Reliefs zeichnen das Leben im Neuen Reich nach.
Trotz barbarischer Plünderungen und unbefugter Grabungen im 19. Jh. konnte man
noch spektakuläre Funde in den siebziger Jahren und später machen. Zum Beispiel
die Grabstätte des Generals Horemheb, der später König wurde und schließlich
in Theben seine letzte Ruhestätte fand; die Gruft des Maya, dem Schatzmeister
Tut-ench-Amuns, und das Hypogäum des Wesirs Aperia, eines Zeitgenossen (oder
fast) Echnatons.

Siegeszug der Tiere

Großer Popularität erfreute sich dann eine andere Art von Bestattungsriten,
die griechische Reisende verblüffte und uns noch heute in Erstaunen versetzt.
Sie entstand aus der Tierverehrung, die bis ins hohe Altertum zurückreicht und
sich ungebrochen bis ans Ende der ägyptischen Zivilisation fortsetzte. Das als
Kultobjekt mit einem bestimmten Gott verbundene Tier galt gewissermaßen als
Mittlerwesen zwischen den Menschen und der Gottheit, die sich in ihm verkörpern
konnte. Jeder Apis (ein geweihter Stier) war deshalb Gegenstand besonderer Ehrerbietung
solange er lebte und noch mehr nach seinem Tod. Der Kadaver wurde in einer Offizin
zu Memphis einbalsamiert und siebzig Tage später mit großem Pomp zu Grabe getragen.
Statt Weihgaben brachten die Teilnehmer der Trauerfeier kleine Stelen mit einer
Gebetsinschrift mit. Wer das 1851 von dem französischen Archäologen Auguste
Mariette in Sakkara entdeckte Serapeum (Grabstätten der Apis-Stiere) besucht,
kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. In diesen großzügigen Katakomben führt
ein Gängelabyrinth an zahlreichen Räumen vorbei, von denen jeder einzelne einen
gigantischen Sarkophag aus Granit beherbergt, in dem eine Stiermumie lag. Ein
schockierender Anblick für manchen aufgeklärten Geist: soviel Aufwand, soviel
Energie und so große Mittel für ein Tier, während normalen Sterblichen lediglich
ein Massengrab zustand ... Ja, sicherlich. Doch bringen andere mentale Strukturen
eben auch andere Verhaltensweisen hervor. Der ägyptische Schöpfungsmythos ließ
die Tiere am Göttlichen teilhaben und bewertete sie in der Hierarchie des Lebendigen
nicht geringer als die Menschen.

Nicht weit von den Stieren entfernt wurden Kühe, Hunde und Ibisse fein säuberlich
in Tonkrüge verstaut. Katzen in kleinen Holzsarkophagen füllen zu Tausenden
die Katakomben, deren Galerien bis auf den heutigen Tag erforscht werden: letztes
Vermächtnis einer Religion, die ihr im Laufe einer überlangen Geschichte angesammeltes
Wirkungsvermögen ausspielte – womöglich nur in einer grandiosen Verirrung.