Das mediterrane Spanien

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Das mediterrane Spanien

Eine dritte Seite Spaniens reiht willkürlich Sierras an eingeschlossene Ebenen
am Mittelmeer entlang bis zur Inselgruppe der Balearen. Vom katalonischen Küstengebirge
bis zur festungsartigen Sierra Nevada, dem höchsten Punkt der iberischen Halbinsel,
ist die weite und vielfältige Bergregion mal von duftenden Wäldern überzogen,
mal nackt und kahl wie ein Skelett. Selten trifft man jemanden in dieser einsamen
Gegend: die Räuber von einst sind verschwunden; heutzutage begegnet man höchstens
Holzfällern, Hirten und Jägern, manchmal auch Bergarbeitern, die den rohstoffreichen
Untergrund abbauen. Um wieder auf Menschen zu stoßen, muß man daher durch die
Trockentäler hinabsteigen, den Oleanderbüsche folgend in Richtung der Ebenen,
von denen einige ob ihrer Wasserknappheit wahre Wüsteneien bilden und den Eindruck
von Mondlandschaften erwecken, so z.B. zwischen Granada und Murcia.

Die Huertas, künstlich bewässerte Ebenen, manchmal mitten in einer dieser Trockenzonen
gelegen, erscheinen daher um so wertvoller. Orangenhaine und Reisfelder bei
Valencia, Gemüse- und Obstkulturen bei Murcia, Palmenhaine bei Elche und Orihuela,
Zuckerrohrplantagen bei Motril, an die Tropenlandschaft auf den fernen Kanaren
erinnernd, Weinstöcke in den Tälern von Almería, von unterirdischen Rinnsalen
gespeist - so hat jede Huerta ihr eigenes Gesicht, geprägt von der unermüdlichen
Ausdauer menschlicher Arbeit. Außerhalb dieser Landschaften, die ihre Fruchtbarkeit
der Bewässerung durch Menschenhand verdanken, gibt es auch einige bevorzugte
Landstriche, die nicht vom Wassermangel der Gebirge und Steppen betroffen sind.
Das sind dann Weinberge, wie die von Jerez de la Frontera, wo die großzügig
angeordneten Reben von der Seeluft verwöhnt werden, oder wie jene von Penedés,
umgeben von Korkeichen und Pinien. Oder aber Olivenhaine, stufenförmig an den
Flanken lichtdurchfluteter Hügel angelegt, wie rund um Jaén; oder die riesigen,
sich scheinbar ewig hinziehenden Anbauflächen mit Getreide, Zukkerrüben und
Sonnenblumen im Einzugsgebiet des Guadalquivir mit seinen fruchtbaren Fluren,
weit offen zum Atlantik hin.

Für den, der über Gemeinplätze hinausschauen kann und will, gibt es kein Land,
das vielfältiger ist als das mediterrane Spanien.

Da sie weit voneinander entfernt sind, nehmen die Dörfer im Süden oft die Ausmaße
einer Stadt an. Die Konturen der Häuser sind kontrastreich, bläuliche Schatten
wechseln mit grellem, von den traditionell weiß getünchten Mauern reflektiertem
Licht. Sie drängen sich dicht um die Kirchen mit ihren zahlreichen, oft mit
hellen, glänzenden Dachziegeln gedeckten Türmen.

In der Umgebung dieser Dörfer mit städtischem Charakter verlieren sich einzelne,
vom Typ her recht unterschiedliche Häuser. Sie können äußerst bescheiden wirken,
wie die Barracas, Bauernhäuser bei den Reisfeldern von Albufera (in Valencia).
Häufiger jedoch lassen sie Reichtum erkennen, wie das z.B. bei den Cortijos
der Fall ist, glänzend roten Gutshöfen in Andalusien, wo ein unmittelbares Nebeneinander
von Herrenhaus, Verwalterwohnung, Unterkünften der Wanderarbeiter, Schuppen,
Ställen und Silos herrscht. Einige davon erinnern an den patriarchalischen Adel,
so die robusten Masías Kataloniens. Über ihrem Dachstuhl mit den patinaüberzogenen
Ziegeln und den wappentragenden Fassaden erhebt sich ein mittelalterlicher Turm.