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Land/Leute

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Saint-Barthelemy

Land und Leute

Geographie

Saint-Barthélemy liegt fünfundzwanzig Kilometer südlich von Saint-Martin und hundertfünfundsiebzig Kilometer nordwestlich von Guadeloupe. Die Inseloberfläche ist durchgehend wellig, doch ragt keine Erhebung über dreihundert Meter Seehöhe hinaus. Immerhin ist hier noch kein Fahrradhändler reich geworden. Die einzige wirklich flache Stelle nimmt die klitzekleine Flughafenpiste ein. Den Pferden, bis 1970 einziges Verkehrsmittel auf der Insel, war hierzulande sicherlich kein leichtes Dasein beschert. Neuerdings bewegt man sich jedoch per Motorrad und Mini-Moke (kübelwagenartige Kleingeländewagen, »moke« engl. = Esel) fort. Schade ...

Zurück zum Thema: Saint-Barthélemy wirkt über weite Strecken wie ausgedörrt. Bäume sind auf der Kalkinsel Mangelware, abgesehen von vereinzelten Kokospalmen und ganzen Wäldern von Latanien, deren Fasern heute noch der Herstellung der berühmten Panama-Strohhüte dienen. Ansonsten bestreiten Sukkulenten und schütterer Buschwald die Pflanzendecke.

Die Bewohner dieses spröden, zerklüfteten Bodens haben schnell verstanden, dass der Tourismus ihnen mehr einbringt als Ackerbau und Viehzucht. Es spricht für sich, dass gegenwärtig kaum ein Stückchen Land bebaut wird. Die Steinmäuerchen (in bretonischer Tradition) grenzen nichts als Brachland ab. Der Wohlstand Saint-Barths hängt allein vom sanften, weißen Sand ab, der die Strände bedeckt.

Rund um die Hauptinsel schließt sich ein Kranz unbewohnter Eilande an, Les Islettes genannt, die der einheimischen Tierwelt als Rückzugsstätte dienen: Pelikane und Fregattvögel, Leguane, tropische Fische. Vielleicht hat ja jemand Glück und wird im Frühjahr oder Frühsommer Augenzeuge vorüberziehender Walfamilien.

Geschichte

Die Anno 1493 von Kolumbus (zum letzten Mal, versprochen) aufgespürte Insel trägt den Namen dessen Bruders Bartholomäus. Der Berufsentdecker scheint sich mit der Namensfindung sehr schwergetan zu haben ... Lange Zeit diente das verkarstete Felseneiland nur Korsaren als Zufluchtsort. Erst im 17. Jahrhundert ging eine französische Garnison an Land, nachdem sich der Gouverneur von Saint-Christophe (Saint Kitts) zu einer Besiedlung entschlossen hatte und die ersten Kolonisten, Bauern aus Frankreich, samt und sonders in die Kochtöpfe der grimmigen Kariben-Indianer gewandert waren. Später ließen sich besonders mutige Normannen und Bretonen hier nieder. Sturheit galt ja schon immer als charakteristisches Merkmal der Landbevölkerung, die sich fürderhin mit dem Anbau von Tabak, Baumwolle und Ananas ein Auskommen verschaffte. Ludwig XVI. tauschte die Insel 1785 mitsamt ihrer achthundert Bauern bei Schwedens König Gustav III. gegen Kontore in Göteborg ein. Der neue Herr auf Saint-Barthélemy verfügte die Zollfreiheit im Hafen Gustavia, um den Handel anzukurbeln. So gelangte die von der Natur nicht gerade verwöhnte Insel dank internationaler Geschäftstransaktionen der sofort herbeigeeilten Glücksritter zu einigem Wohlstand.

Doch erfuhr Saint-Barth auch eine Reihe von Katastrophen: Wirbelstürme, einen Hafenbrand, Plünderungen durch die Engländer ... Finanziell entpuppte es sich bald als Faß ohne Boden, so dass die schwedische Krone ihre Besitzung 1878 wieder an Frankreich verkaufte – unter der Bedingung, den Status als Freihandelshafen nicht anzutasten. Das ist bis heute so geblieben. Die Einwohner fühlen sich jedoch als Urfranzosen und sind offensichtlich stolz darauf: an allen Ecken und Enden weht die Trikolore.

Bevölkerung

Originell ist die Insel auch insofern, als ihre 3.500 Einwohner vorwiegend Nachkommen der Normannen sind, die hier vor über dreihundert Jahren landeten. In ihrem einstigen Siedlungsgebiet haben sie sich ihre Sprache (mit einigen kreolischen Einschlägen) und die häufig blonden Haare bewahrt. Früher trugen die Frauen Hauben, wie sie in der westfranzösischen Vendée üblich waren. Überstehende Ränder verdeckten die Wangen, um unternehmungslustige Männer auf Distanz zu halten (von daher die Bezeichnung Quichenotte, eine Verballhornung des englischen Kiss me not). Heutzutage muten die Jugendlichen mit ihren Bermudas eher wie kalifornische Surfboys an.

Hierzulande ist man eng miteinander verwandt und verschwägert – böse Zungen sprechen von Inzucht, die sich in der Beschränkung auf ein Dutzend Nachnamen äußert – was endlosen Familienstreitigkeiten Vorschub leistet: das Gericht in Saint-Martin hat sich vornehmlich mit Erbschafts- und Eigentumsangelegenheiten herumzuschlagen. Durch geschickte Heiratspolitik ist es einzelnen Familien in der Vergangenheit immer wieder gelungen, für den Verkauf an reiche Ausländer geeignete Parzellen zusammenzubekommen. Falls das Zeug für Bodenspekulation nicht reicht, kann man immer noch versuchen, sich als Handwerker am Bauboom gesundzustoßen. Arbeitslosigkeit und Gewerkschaften sind jedenfalls unbekannt. Zudem erweist sich dieses entlegene Fleckchen Frankreich allergisch gegen Steuern und Zölle. Glückliche »Saints-Barths«! Saint-Barthélemy funktioniert also als großer Familienbetrieb. Wegen des kargen Bodens konnte sich früher kein Bauer Sklaven leisten. Deshalb ist die Bevölkerung noch heute zu fünfundneunzig Prozent weißhäutig und hat nichts mit Rassenkonflikten am Hut. Allenfalls ärgert man sich über die verwaltungsmäßige Abhängigkeit von der »schwarzen« Insel Guadeloupe. Es bleibt dabei – Saint-Barth´ ist wirklich anders als die übrigen Antilleninseln.

Unterbringung

Ganz Schlaue haben sicher schon geahnt, dass man in Saint-Barth´ nicht in erster Linie auf arme Schlucker wie unsereins wartet. Folgerichtig gibt es hier weder bescheidene Gästezimmer oder Ferienwohnungen nach Art der Gîtes ruraux, noch Campingplätze (und wildes Zelten ist verboten, was die Lage nicht gerade vereinfacht). Dafür herrscht kein Mangel an traumhaften Drei- bis Vier-Sterne-Hotels.

Immerhin können wir ein paar kleinere Hotels und Bungalows angeben, die unmittelbar von Einheimischen vermietet werden. Manche davon sind preislich vergleichbar mit einem Zwei-Sterne-Hotel in Frankreich. Und nicht vergessen, dass die Tarife im Sommer um vierzig bis fünfzig Prozent fallen.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, ein ganzes Haus zu mieten. Das wird erschwinglicher, wenn mehrere Familien, Wohngemeinschaften oder nette Leutchen sich zusammentun. Kataloge anfordern bei:
Jean-Yves Robert Immobilier: BP 67, Tel. 27 60 65.
Sibarth: BP 55, Tel. 27 62 38.

Verpflegung

Auch in dieser Beziehung ist es um Rucksackreisende schlecht bestellt. Als günstigste Lösung bieten sich die (reichlich versorgten) Lebensmittelgeschäfte in Gustavia und Lorient an. Die meisten Ferienwohnungen weisen eine Kochnische auf. Die Inselrestaurants sind überwiegend in der Hand arrivierter Europäer, die sich mit ebensolcher Kundschaft umgeben. Wenn dann die Rechnung präsentiert wird, klingen einem die Ohren nicht nur – sie dröhnen! Unbedingt zu meiden. Neben den (seltenen) erschwinglichen Gästetischen haben wir ein paar gepflegte Restaurants ausgemacht, die von Einheimischen geführt werden. Dort ist die Atmosphäre spannender und die Preise bleiben auf dem Teppich.