Backpacker
Kurzer Backpacker-Crashkurs
Abtauchen mit den großen Beatniks
Reisende Klone
Backpacker!
Ja, die Backpacker, tragen ihr Pack(chen) auf dem Back, sind also Rückenlebemenschen, wuseln forschend, erobernd, reisend durch die Welt und sind eine Klasserasse für sich. Besser gesagt, sie sind eine Religionsgemeinschaft, mit Bibel, mit Codes und mit einer eigenen Sprache.
Backpacker leben meistens "on the budget" und reisen auch dementsprechend, also immer schön unter der Bettkante hausieren und hamstern. Backpacker reisen nicht nach da und dort, sondern "machen". Das heißt dann also: "Morgen machen wir nach Chile oder nach Vietnam oder nach Hamburg". Ganz pfiffige Backpacker "machen" "off-the-track", was so viel bedeutet wie sich abseits von anscheinend ausgetrampelten Touristenpfaden zu bewegen. Woher diese Pfiffikusse das alles wissen? Aus Backpackers Bibel, die viel heiliger und öfter gelesener wird als selbige, korrekter wäre also wohl, Backpackers Koran zu sagen. Trägt auch einen Namen, dieser oft mehrere hundert Seiten dicke Wälzer: "Lonely Planet", was ja schon die Hoffnung impliziert, möglichst viele "off-the-beaten-tracks" zu finden. Mittlerweile gibt es auch Abschriften des Bibel-Korans, namentlich als "rough guide", "on a shoestring through" oder einfach "Footprints Südamerika-Handuch" bekannt. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sich so gut wie alles über ein Land oder eine Region oder gar einen ganzen Kontinent in diesen Schriften findet. Transportations, Accomodations, Food, Culture und alles immer schön "off-the-track" und "budgeting". Jeder Backpacker hat so ne Bibel (Koran) bei sich und man tauscht sich gerne aus, schaut mal beim Nachbarn rein, ob sich nicht dort noch ne bessere Unterkunft abstauben lässt. Von diesen Unterkünften gibt es in den Reisebegleitern letztlich aber so viele, dass man sich gerne mal fragen tut, wie lonely der Planet eigentlich wirklich ist.
Wie damals (Bibel) oder wie heute (Koran) vertrauen alle Backpacker so geradlinig und scheuklappig in ihre Schrift, dass sie meistens alle dasselbe im Sinn und im Koffer haben und die gleiche Mütz auf dem Kopf tragen. Großer Rucksack, luftige Kleidung für warme Gegenden, namentlich versiert, versehene Outdoor-Kleidung für härtere Gegenden, manchmal Zelt und Kocher, manchmal nur Buch und Stift. So nen Backpacker erkennste auf hundert Metern gegen den Wind, wie er da mit Backpack-Rucksack und Andenmütze (Südamerika), geflochtenen Zöpfen (Westafrika) oder Rasta-Haaren (überall) auf dem Weg von der Busstation zum Hostel hertrudelt.
Einige unter Ihnen fallen ein bisschen aus dem Rahmen, die Longtime-Backpacker zum Beispiel. Ein, zwei oder drei Jahre sind die schon unterwegs und ganz schöne Backpacker-Persönlichkeiten wie das Model aus New York beispielsweise, dass in Copacabana grad zwei Jahre ihrer Tour von New York Richtung Patagonien hinter sich gebracht hatte. Auf ihrer Harley wohlgemerkt. Oder der Israeli, der nach drei Jahren Militär aus der Heimat flüchtete und nun zwischen San Francisco (zum Geldverdienen) und den Ländern Südamerikas pendelt. Gemeinsam ist allen Longtime-Backpackern, dass sie, wenn man sie denn nach so ner langen Zeit trifft und ihnen tief in die Herzen blickt, müde vom Reisen sind und sich insgeheim sehnlichst auf Zuhause freuen, aber vielleicht noch nicht verstanden haben, wieso sie dieses überhaupt im Rücken gelassen haben.
Überhaupt dieses Zuhause. Ist es wirklich im Pack auf dem Back, wie die Idealisten gerne von sich sagen, oder doch im Saldo der Kreditkarte? Schließlich "macht" hier kein Backpacker auf Jules Verne und reist mit nix durch die Welt, sondern mit Master oder Visa, Handy sowieso. Dementsprechend ist es auch nicht verwunderlich, dass Backpacker potentiell aus gewissen Gegenden der Erde stammen. Reiseweltmeister Deutschland nimmt genau wie die Schweizer und andere Westeuropäer Toppositionen ein, US-Amerikaner, Australier und Kanadier sind selbstredend mit vorne dabei. Wenn´s spannend wird, triffste mal Russen, Polen oder Mexikaner, hier in Südamerika gerne auch Argentinier oder Chilenen. Einen Backpacker aus Togo, Bolivien oder aus Indonesien habe ich noch nie gesehen. Woran das wohl liegt?
Wie das gut gemeinte Vorurteil so will, sind die Backpacker herkunftsbezogen nicht anders einzuschätzen als ihre Landesgenossen auf Safari oder Pauschalreise. Schweizer sind reich, Franzosen können keine andere Sprache als französisch, Amis sind größenwahnsinnig. Australier nuscheln und bevorzugen billiges Bier. Nervig sind hier in Südamerika vor allen Dingen Chilenen, ärgern mit ihrer Art und Weise vor allen Dingen Bolivianer und Peruaner, die sich über die arrogante chilenische Art aufregen. Buisness as usual, die Chilenen sind eben die "Preussen", haben die Kohle und machen auf dicken Max. Backpacker-mässig sind sie auch was Besonderes. Normalerweise erfüllt ein Backpacker ja mindestens zwei der folgenden fünf Erkennungszeichen: Rasta-Haare oder ähnlichen Frisur-Schickschnack, Arm-Fuß-Hals-Bändchen in bunt oder ausgeflippt, Tätowierung, lässige Öko-Fransen-Kleidung plus Bob-Marley-T-Shirt (in Südamerika ersatzweise auch das berühmte Shirt mit dem Kokablatt und dem potentiell echt freiheitsliebenden Slogan "La hoja de coca no es una droga", was natürlich stimmt, weil es nix Anderes zum Konsumieren ist als Betel für die Frauen in Südostasien oder Kaugummi für die Amis, das Rauschgefälle zwischen Kokain und dem Blatt liegt bei 100 zu 0,5, also, Spruch stimmt, aber ich kam ja wegen dem Shirt drauf ...) , Gitarre. Das sind die fünf unwiderruflichen Backpackererkennungszeichen, und ein jeder erfüllt garantiert zwei davon!
Chilenische Backpacker sind leicht auszumachen, weil sie immer mindestens vier der Erkennungszeichen zur Schau tragen, gerne auch fünf plus Bonus-Erkennungszeichen Jonglierbälle und Mate-Tee-Tasse.
Deutsche Backpacker haben auch so ihre Erkennungszeichen, mmhh, na klar. Sie quatschen überall mit, und reden stilistisch plump und laut, inhaltlich meistens ziemlich bis relativ intelligent. Ja, so sind deutsche Backpacker. Sie haben noch ein besonderes, deutsches Erkennungszeichen: Sie wollen überall eine "german bakery" aufmachen. Das kommt daher, weil sie natürlich irgendwelche Rauschstoffe zu sich nehmen und dann davon träumen, in Malaysia, in Australien, in Bolivien oder in Albanien "hängen zu bleiben". Weil: Da gibt´s irgendwas, was es zu Hause nicht gibt, aber, aber, aber eine Sache fehlt überall auf der Welt und das ist letztlich ja gar keine Backpacker-Weisheit, sondern eine Weisheit, die sich jeder mal hinter die frisch gewaschenen Ohren rubbeln sollte: Man muss doch nur den Rhein ins Langweißbrotland oder die Alpen überqueren und schon ist´s vorbei mit der guten Backstube, ist halt so. Jeder Teutone wird, gefragt nach dem was er meisten im Ausland vermisst, das Brot nennen. Daher also der "german bakery"-Traum der deutschen Backpacker.
Ganz abseits von Länderzuordnungen gibt es weitere Gruppen der Backpacker, unter anderem die so genannten "Country-Collector". "Country-Collector" sammeln Länder wie andere Biergläser. Manch besondere Exemplare erzählen dann, dass sie beim hundersten "Country" aufgehört haben zu zählen.
Überhaupt das Zählen und vor allen Dingen das Erzählen. Das ist schon so ne Sache für sich in so ner Hostel-Küche, wenn sich Backpacker Max mit Backpacker Moritz austauscht. Da wird aufgetischt, aufgefressen und aufgezählt, dass man erste Fragezeichen hinter den ganzen Backpacker-Wahn stellen sollte. Zum Beispiel der Amerikaner, der da in Prag sitzt (und von diesen gibt es ungezählte weitere), eine Europa-Karte auspackt, und mit Fingerzeig berichtet, dass er in den letzten drei Wochen Rom, Athen, Moskau, Warschau, Berlin, Paris, Madrid und Wien "gemacht" hat. Aha, interessant. Oder die Pinguine. Nee, die Pinguine sitzen nicht im Hostel, aber die Backpacker berichten stolz, dass man sie in Neuseeland am besten sehen kann, in Chile am zweitbesten und bei Onkel-Tot-Scotts Hütte am Südpol nur am Drittbesten. Hmm, hat nicht mal jemand die Pinguine gefragt, ob sie überhaupt am Besten gesehen werden wollen (und was Gevatter Tod wohl dazu sagt ...).
Wo wir grad bei den Liebsten aller Menschen sind, den Tieren. Sie gehören zu einer Gruppe von Gründen, weswegen Backpacker unterwegs sind. Grob könnte man diese in drei Gruppen einteilen. Die erste Gruppe will so viel Kultur (ganz Europa zum Beispiel) wie möglich "machen", die zweite Gruppe dementsprechend so viel Natur (inklusive Pinguine) wie möglich. Die dritte Gruppe will möglichst viele Trips schmeißen, sich berauschen und unheimlich viele neue Menschen treffen. So viele neue Menschen, die lernste echt nur unterwegs kennen ...
Unterwegs ...