Silhouetten

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Silhouetten

Um die Straßenecke spiegeln sich in den modernen Glasbauten die gigantischen
Umrisse des Post Office Tower, des Fernmeldeturms, der zum Zeitpunkt seiner
Errichtung in den sechziger Jahren höchst umstritten war, heute aber zum festen
Bestandteil des Londoner Stadtbilds gehört, das sich freilich von Tag zu Tag
ändert.

Selbst Bloomsbury verliert langsam seine märchenhafte Ruhe. Unter dem Druck
der Geschäftsleute werden Squares und ehrwürdige Häuser zunehmend durch - nicht
immer gelungene - Hochhäuser ersetzt. Verwaltungs- und Bürogebäude rücken immer
näher an die Universität und das Britische Museum, und der dichte Verkehr tut
das übrige, um die friedliche, träumerische Atmosphäre zu zerstören, die einst
Virginia Woolf schilderte.

Dennoch birgt Bloomsbury noch immer erfreuliche Überraschungen. Wo sich die
Gebäude gegenseitig an Häßlichkeit übertrumpfen, entdeckt man in der Bloomsbury
Street eine der merkwürdigsten Kirchen von Hawksmoor: St. George-in-Bloomsbury.
Innen gleicht das Gebäude einem bürgerlichen Speisesaal. Doch sein Äußeres besticht
als barocker Karneval: der Portikus ist von einem bizarren Kirchtürmlein gekrönt;
ein pyramidenförmig angelegtes Treppchen führt zu einer Statue, die Georg I.
in einer römischen Toga darstellt ... angeblich ließ sich Hawksmoor durch das
Mausoleum von Halikarnassos anregen, wie es Plinius beschreibt. Ursprünglich
vervollständigten Löwen und Einhörner zu Füßen des großen Königs das Bild. Da
jedoch eine solche Anhäufung die Viktorianer schockierte - die doch für ihren
schlechten Geschmack und ihre Vorliebe für schräge Zusammenstellungen bekannt
sind - wurde die ganze Menagerie wieder entfernt.