Ein Ende der Kritik

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Westliche Potentate gegen Lateinamerika

Ausbeuten gegen Aufklären

In die Knie gezwungen

Beenden wir doch heuer mal die sozialkritischen Beobachtungen der politischen Bühne, indem wir uns auf die jüngere und aktuelle historische Dimension des lateinamerikanischen Daseins beziehen.

Südamerika ist auch nach dieser Reise (tatsächlich!) ein seltsam ausgebeuteter Kontinent, ein korrupter und ein oligarchischer obendrein. Dass westliche Potentaten ihre gewichtige Hand diesbezüglich im gar nicht so keuschen Fegefeuer haben, wurde schon erwähnt, soll hier abschließend noch mal stichpunktartig aufgeführt werden.

Nehmen wir mal das Armenhaus der Latinos, Palmen-Karibik-Haiti. Einst eine reiche Insel mit lecker Früchtchen, Zucker und ähnlichem Reichtum, wurde es im 18. Jahrhundert von den nordamerikanischen Franzosen besetzt. Aber siehe da, die Haitianer, ein freiheitliebendes Volk, waren 1804 in ganz Lateinamerika überhaupt die ersten, die sich freikämpften mit Mumm, Machete und Malzbier. Aber gegen was für einen Preis! Die französischen Hochherren gewährten den aufmüpfigen Negern die politische Unabhängigkeit für den schlappen Preis von 17 Milliarden Dollar, ein doppelbödiges Unterfangen, was dieses Land bis heute nicht zurück bezahlen konnte, Schulden, Steuern und Abgabenzwang sind das Schwert, unter dem sie sich beständig bücken. Rückblickend betrachtet schon eine ganz seltsame Sache, wenn Fremde dein Land besetzen und es dir später für so viel Geld wieder zurück geben, dass du in stetiger Abhängigkeit von jenen Herren leben musst. Gut, man könnte argumentieren, dass die Gehirne im 19. Jahrhundert weltweit noch anders tickten (siehe Einstellung zu Frauen, Sklaven, etc.), doch heute, hmm, warum entschuldigt sich denn nur Australien bei den Aborigines?

Freiheitsbestrebungen hat es natürlich auch anderorts gegeben, in Uruguay beispielsweise forderte der Diktator Artigas 1815 das gleiche Recht für Indianer wie für die weißen Kolonialherren. Er wurde ebenso wie der berühmteste mexikanische Freiheitskämpfer Zapato zu Beginn des 20. Jahrhunderts verraten und aus dem Weg geschafft. Beide standen in ihrem Aktionsradius dem Poster-Guevarra in nichts nach, nur er war, dank der Zeit, in der er wirkte, der Einzige, der geistig überleben konnte und heute stellvertretender Ober-Revoluzzer ist. Gebracht hat es, lacrima im Steckloch, nirgendwo was.

In Uruguay besitzen heute 1,5 % der Bevölkerung (immer noch weiße Kolonialherren-Abkömmlinge) die Hälfte des Landes, sämtliche Wirtschaftszweige werden von amerikanischen und europäischen Firmen beherrscht. Es ist kein Gerede, sondern Realität, dass in lateinamerikanischen Ländern der US-Botschafter mehr Macht besitzt als der hiesige Präsident.

Das, auf was amerikanische Großindustrielle, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf Werbeanzeigen im ach so seriösen Time-Magazine, die preisgünstiges Land samt Arbeitersklaven für Anlieger in Brasilien und anderen Ländern anboten, ansprangen, hat überlebt. William Taft, einer der US-Barone sagte 1912 beispielhaft: "Es wird zur Tatsache, dass die ganze Hemisphäre von Nord- bis Südpol uns gehört, allein durch unsere rassische Überlegenheit". Die United Fruit Incorporation, bis heute der Geldgewinner der Fruchtanbauten in Ecuador, hatte vollkommen Recht: "Der Dollar strömt dort, sie sprechen unsere Sprache, sie hissen unsere Fahne."

Mittels cleverer politischer Schachzüge wurden die lateinamerikanischen Länder untereinander geschickt ausgespielt. Chile wurde militärisch der Rücken gestärkt, als sie die Salpeter- und Zinngebiete Boliviens eroberten (einfach rein ins Land und unterwerfen, siehe Saddam in Kuwait 1991), weil ein Großteil der Gewinne an die Amerikaner zurückfloss. Paraguay, 1850 ein stolzes, weil als einziges noch unbeugsames Land, wurde mit Hilfe des Westens von Argentinien und Brasilien auseinander genommen, und zählt heute zu den Ärmsten.

All das ist notwendig, um die 500 Jahre alte Ausbeuter-Geschäftigkeit am Leben zu erhalten. Südamerika ist so reich an Bodenschätzen, dass es sich der Westen nicht leisten kann, diese fallen zu lassen, die eigenen Reserven hat er ja größtenteils erschöpft. Dieses aasgierige Abgrasen ist aber dermaßen perfide, komplex und so auf den Westen ausgelegt, dass zum Beispiel Ware, die in Brasilien gezogen wird, schneller über den Hamburger Hafen ins Nachbarland Uruguay gelangt als auf dem direkten Wege! (Man schaue sich das mal auf einer Landkarte an und frage sich, wie die Welt wohl funktionieren mag).

Eisenbahnen und Landstraßen wurden und werden in diesem Kontinent nur für den Export gebaut, man erkennt es daran, dass sich alles zur Küste hin bewegt, die okzidentale Unterstützung für die eigene Entwicklung hat es bis heute hier nicht gegeben, höchstens die illusionäre mit Coca-Cola und Arnold Schwarzenegger.

Wenn finanzielle Unterstützung mal hier ankam, dann als großer Scherz, den du nur mit den ganz Dummen oder Hilflosen machen kannst. Die Engländer waren 1820 so freundlich, den Brasilianern 21 Millionen zum Aufbau des eigenen Landes zur Verfügung zu stellen. Hört, hört! Real erhalten haben die Südamerikaner 7 Millionen, die anderen 14 Millionen wurden direkt als britische Steuern einbehalten und wurden in den folgenden Jahren mit Doppelzins zurück gefordert.

Das ganze Spektakel wird nicht allein von einzelnen Ländern kontrolliert, sondern von einem Sammelsurium kapitalistische Großerzeugnisse. Weltbank und ökonomische Handelsabkommen wie GATT sorgen dafür, dass die armen Länder zu einem freien Handel ohne Schutzzölle gezwungen werden, was effektiv bedeutet, dass sie den internationalen Rohstoffpreisen, die in New York und London (oder heute in Tokio und Shanghai) festgelegt werden, ausgeliefert sind. So werden Bananen-Ecuadorianer oder Gold-Basilianer mit einer Nacht zu armen Schluckern, die auf ihren Waren sitzen bleiben, wenn die Börse sich wieder den ganz gewichtigen Herren-Ländern anpasst. - Bei so viel Lamentieren soll hier aber nicht der Eindruck entstehen, das nur der böse Westen das dumme Südamerika kastriert, es ist ja eine offensichtliche, aktuelle Tatsache, dass eben genannte Großbanken und ähnliche Herrscher der Welt, die in dunklen Zimmern sitzen und wahrscheinlich Zigarren rauchen, sich genau so auf deutsche oder amerikanische Menschen stürzen. Die scheinbare Freiheit der Europäer dünkt denkbar dämlich, wenn man spürt, dass im Hintergrund das Kapital deine Fäden zieht und du wirklichkeitsgläubig die Werbung schaust. Oder wie, fragen nicht nur 12jährige Menschen ihre Eltern, geht es, dass es sechs Milliarden Menschen gibt, für 15 Milliarden Menschen theoretisch Nahrung zur Verfügung steht, die Welt über logistisches und technisches Mega-Potential verfügt und knapp die Hälfte der Menschen hungert? Achselzucken?

Also, die Arm-Reich-Schere darf weiter kritisch betrachtet werden, blicken wir wieder zurück auf die Zollpolitik. Die westlichen Länder legen sich nämlich selbst die höchsten Zölle auf, die USA haben damit in den letzten 200 Jahren ihre wirtschaftliche Dominanz aufgebaut, wer im 19. Jahrhundert in Großbritannien unverarbeitete Wolle ausführte (die Engländer federführend auf dem Gebiet der Wollmanufakturen, dessen feine Endprodukte mit hohen Steuern ausgeliefert wurden), dem wurde die rechte Hand abgehackt. Dass Lohn und Gehalt bei ungefähr einem Zehntel der Gehälter des Westens liegen, scheint offensichtlich, wer die bisher genannten Ausführungen zu früherer Stunde gelesen hat, wundert sich nicht.

Letztlich bleibt allerdings die Frage, wie es, mal abgesehen vom europäischen Barbarentum, zu der ganzen Situation kommen konnte. Warum rief Simon Boliviar, einer der scheinbaren Befreier der Indianer noch nach der erfolgreichen Revolution: "Niemals werde wir glücklich sein, niemals!? "

Vielleicht läst sich das am ehesten mit der Fügsamkeit der Indianer erklären, mit der anscheinend leichtfüßigen Unterwerfung. Die Inkavölker verehrten die Naturgottheiten, unterwarfen sich Ihnen mit totalitärem Glauben, waren schweigsame und folgsame Gefährten. Das sind sie bis heute geblieben, die Indios auf dem Land sind wortkarg, unterhalten sich primär mit Blicken, sind deswegen aber nicht schüchtern, eher still in sich gekehrt und zahm, glauben an ihre persönliche Bedeutungslosigkeit, an den Sinn im göttlichen Ganzen und die Nutzlosigkeit des Einzelnen.

Und genau da hatten die Kolonialherren natürlich leichtes Spiel. Den katholischen Glauben, den haben die meisten Indianer viel einfacher aufgenommen, als man vom Westen her denken könnte. Ganz einfach, weil er diesem Gehabe entsprach und entspricht. Sich unterwerfen, sich fügen, auf ein besseres Leben in einer anderen Dimension hoffen. Das Leben galt ehedem als Opfer für die Sonne, später dann als Opfer für den einen Gott (später auf Dollarnoten verklärt), das Prinzip blieb erhalten, der Tod war die Erlösung, die Schwermütigkeit dieses Verhaltens ist in jeder Faser ihrer Körper und Seelen zu spüren.

So identifiziert sich Lateinamerika auch heute noch mit dem, was ihm der Westen vorschreibt. Ecuador ist die Bananenrepublik, weil es die reichen Herren mit Bananen versorgt, die Peruaner sind kulturell reichhaltige Indios, die Brasilianer holzen ihre Wälder nichtsdenkend ab, weil es sich einfach so gehört, und die Argentinier liefern saftiges Fleisch.

Die Schuldfrage ist uninteressant und sinnlos. Ausbeuter, die wir noch nicht mal aus der Zeitung kennen, beherrschen weiterhin diese System, und die Einheimischen fügen sich scheinbar willenlos ... nur in Bolivien tut sich was, hatten wir nicht den ersten Indianer-Präsidenten überhaupt erwähnt, bahnt sich da eine neue Zeitrechnung an, wird die Geschichte umgeschrieben? Nicht unsere Aufgabe, das zu beantworten, wir konstatieren und salutieren.

Peng