Beatnik

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Ursprung der Beatniks

Abgelutschtes Backpacking

Jack Kerouac war kein Backpacker, sondern Tramper und Grund nicht nur für mich, nachdem man sein Buch gelesen hatte, die Welt zu durchtrampen, frei mit dem Daumen unter dem blauen oder auch verregneten Himmel zu stehen und nichts mehr zu besitzen außer dem Weg.

Jack Kerouac ist in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts häufig von Frisco (Senne-Ausdruck für San Francisco) nach New York getrampt und wieder zurück und wieder zurück und immer so hin und her, und hat darüber Bücher geschrieben, die (siehe begieriges Aufsaugen durch den Schreiberling) auch Jahrzehnte später noch so mitnehmen können, dass sie Leben verändern.

Jack Kerouac war ein Beatnik, eine Gruppe von US-Künstlern, vor den Hippies, diese vielleicht erst auf ihren Weg gebracht. Wenn man naiv an die Sache rangeht ist, bezeichnet man die Beatniks und deren Generation als die ersten Backpacker überhaupt. Das würden die Beatniks, zumindest die großen Vier, die allesamt tot sind, gar nicht hören wollen, denn im Gegensatz zu Backpackern heute wollten sie gar nicht unheimlich viele Menschen kennen lernen oder die besten Pinguine sehen.

Na gut, einer von ihnen wollte die besten Drogen nehmen. Sein Name: William Burroughs.

Ich merke gerade, ich bin ein bisschen abgeschwiffen (Swiff, früher mal blöder Putzlappen, meist grau und irgendwie verschrumpelt und stinkig, heute bunt und voll Swiff!), aber die Sache ist´s wert und wer sich für Backpacker interessiert, mag wohl auch zu einem guten Beatnik-Schwank nicht Nein sagen.

Fangen wir noch mal an: kriegsgeschädigte, westliche Welt, permanenter Sexualzwang, Wissenschafts- und Kapitalirrsinn und christliche Werte, die zum Himmel stanken. Klar, jeder kennt Elvis, der schwingt und swifft (ich sag´s nicht noch mal, aber das sollte jeder mal selbst ausprobieren - statt Putzlappen!), die Route 66, und aus dem Untergrund kommen da ein paar Herren und die schreiben Weltbewegendes aus ihren Federn, schmeißen Farben in die Köpfe, dass aus Realität Traum und aus Starre Ekstase wird. Den Anführer, der keiner sein wollte, haben wir schon kennen gelernt. Jackie, Master of the highway, sein Buch "On the road" kennt ironischerweise jeder Backpacker.

Früher hinter den Kulissen und böser Onkel der Truppe war Mister Burroughs, der im hitzigen, verseuchten New Orleans abscheulich Literarisches vollbrachte. William Burroughs ist letzthin einer der größten Übeltäter und Wahnsinnigen, die diese Welt kannte, so wie Kinski oder Keith Moon welche waren, der in ähnliche, nur literarische Abgründe vorstieß wie Kafkas Fränzchen, ein Irrer eben. Wer mal was wirklich "wo-Worte-fehlen" lesen will schiebt sich "Naked Lunch" rein, eine autobiographisch angehauchte Wahnsinns-Drogen-Story aus New Yorker Hotelzimmern. Schauderlich und mindestens so schmerzhaft wie Gene Hackman, das in French Connection II erleben muss. Ansonsten kann man aber auch Burroughs Bilder bestaunen, Hörbücher (seiner Zeit voraus) genießen oder schwule Heroin-Hitze-Geschichten aus Tangar, Marokko. Völlig druff, dieser Typ.

Druff war auch der Dritte im Bunde, aber anders, eher fluoreszendiert, happysiert. Der Lautsprecher der Hippies, der Verkünder der freien Liebe, der, der in Ashbury Heights Sit-Inns und nackte Liebe mitgemacht hat, der mit Leary und Hoffmann LSD genommen und popularisiert hat und alles positiv proklamierte (Hippie eben). Schreiben konnt er net so gut, bis auf ein paar Gedichte, aber den Namen Allen Ginsberg sollt man kennen und ihn ehrlicherweise den Beatniks zuschreiben.

Bleibt nur noch einer (in meiner persönlichen Quadriga) und der Grund, warum ich diesen Sermon hier überhaupt von mir lasse. Ist der unbekannteste und wird pseudo-wissenschaftlich wahrscheinlich gar nicht zu den Beaties gezählt. Er heißt bzw. hieß Richard Brautigan und hat nen ganz biederes Leben in Montana, dem Schneestaat der USA geführt, mit Ehefrau und Hofhund und so. Nicht wie Jackie in big New York, Burroughs im schwül-schwulen New Orleans oder Ginsberg im hippy San Francisco. Nee, im schnöden Montana hat Brautigan vor sich hingelebt, hingeschrieben und ist dann ziemlich jung gestorben, weswegen es auch nicht so viel von ihm zu lesen gibt. Nun, das was übrig geblieben ist, find ich jedenfalls das Schönste, das Lustigste, das Subtilste, was es überhaupt so gibt, er ist in seiner Kategorie unschlagbar. Der "Tokio-Montana-Express" ist der spitzeste Kurzgeschichten-Band der Welt, und ich hab ihn damals zwölfmal gelesen und alles probiert, um so gut zu werden wie er. Es ist mir natürlich nicht gelungen, heute lass und lies ich ihn so wie er ist und sabbel mir die Schnute wund mit meinem eigenen Un-Stil. An Richard Brautigan denke ich dennoch dankend gerne und oft, vor allen Dingen wenn ich Hühner sehe, weil er so eine göttliche Episode über das Hühnerfüttern (in Montana, klaro) verfasst hat, naja, man kann sich denken wie oft ich in den letzten Monaten an den Typ aus dem Schneestaat denken musste. An Burroughs musste ich auch öfter denken, weil er der Erste war, der in den 50er nach Südamerika gekommen, um die heilige Urwalddroge Ayahuasca auszuprobieren, und die wird dir immerhin auf jedem zweiten Markt legal in Peru und Bolivien angeboten.

Hei, wo bin ich denn mit meinen Backpacker-Geschichten gelandet? Jetzt aber genug aber von persönlichen Präferenzen und Sperenzchen, ich will nur noch ne Querverbindung zwischen den Beatniks und den Backpackern aufbauen, Idealen der "Gründerzeit" und dem, was dabei rausgekommen ist.

Backpacker sind keine Tramper mehr, waren es letztlich auch nie, sie haben ihr Handy, ihren Bus und ihre Bibel und wissen wo´s lang geht. Die meisten von ihnen wollen wieder nach Hause zum Familiegründen oder Katzenfüttern und nicht in die Hölle wie Burroughs oder ins Nirwana wie Kerouac. Sie sind satt und gefüttert, irgendwie unoriginell, langweilig.

Wikipedia, der Freund der Wahrheits-Illusion lässt manchmal was Feines raus, das hier zum Beispiel über die Beatniks: "Beatniks sind zudem Leute, die nach einem bestimmten Muster leben und damals gelebt haben. Sie fühlen sich nur unterwegs frei und ohne Sorgen und ihr einziges Ziel ist die ständige Mobilität. Das Bedürfnis nach Heimat ist ihnen fremd. Sie haben zwar Wurzeln, empfinden aber keinerlei festen Bezug oder dringliches Verlangen nach Rückkehr zu diesen. Noch heute leben einige Leute nach dem Beatnik-Prinzip."

Überall dieselben Backpacker

Lange bevor ich die Beatniks kennerlernte, lernte ich meinen eigenen Willen kennen. Der hat mich früh dazu gebracht, bloß nicht so angepasst und bieder zu werden wie "Erwachsene", die immer so langweilige Sache anhaben und immer Danke und Bitte sagen und sich dabei auch noch verbeugen. Als ich alt genug war, hab ich mir die Haare, die Hosen und das Herz zerschnitten und bin losgezogen zu festen Festen und auch zu ganz sanften. Irgendwann hatt ich dann auch noch die Beatniks als Lesestoff dabei, freier konnt´s eigentlich nicht mehr kommen, als da an der Straße zu stehen und die irresten und verrücktesten Wesen des Planeten kennen zu lernen und auf Parkbänken, Milchstrassen und Ahornbäumen zu übernachten. Später bin ich dann, komischerweise unfreiwillig und doch bewusst, Backpacker geworden.

Nun, und wenn ich mir heute als Opa, Werthers Echte im Mund und Swiff als Putzlappen in der Hand, die Backpacker so angucke, muss ich an ganz früher denken, an Bitte und Danke und die dämlichen Konformitäten. Oh Weia, dann bin ich ja jetzt am Planet der Affen angekommen, muss immerhin nicht heulend vor der Freiheitsstatue zu Boden fallen (also wirklich das nicht), um zu erkennen, dass die Bibel-Koran-Lesern mit ihren Rastas, Adidas-Schuhen und Walkmans respektive MP3-Playern sich genau so wenig von einander unterschieden wie die Vorstandsvorsitzenden der Kaufhof-AG und ich mir ganz bewusst überlegen sollte, was ich wirklich will, was Heimat ist, und wohin zum Teufel mit dem ganzen Reisen und "traveln". Da trink ich noch mal nen Tee drüber und schlaf ne Nacht ...