Tierfreunde

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Freundschaften

Tiefe Erkenntnisse

Es ist gut, ein Tier zu sein

Auf diesem Weg hat man die einmalige Möglichkeit, sich mit unzähligen Tieren anzufreunden, ihre Sprachen zu lernen, ihre Augen zu streicheln, ihren Geschichten zu lauschen, in ihrer Haut zu lesen. Wo immer du auch hingehst, sie begegnen dir, in einer Offenheit, in einer Vielzahl, in einer Offenkundigkeit, in einer Echtheit, dass das Staunen zum Raunen wird, die Pfote zur Pforte des Glücks.

Hunde an jeder Ecke; ich spreche gerne mit ihnen, suche den Kontakt, bewundere die Zweifarbenaugen, die Sechszehengeschöpfe, verwildert, verwittert, leinenlos, wir schnüffeln und kraulen um die Wette. Die Hunde sind nah und machen wie wir verrückte Sachen, bringen dich zum Lachen, zum Weinen, zum Surren. Hebt doch gestern so´n kleiner Strubbel sein Bein an nem Autoreifen von nem geparkten Flitzer am Rand der Straße. Plötzlich Gegenverkehr, Strubbel muss ausweichen, was macht der Knabe? Geht auf drei Beinen, weiterhin pinkelnd, um den Reifen rum, so dass er sein Geschäft unter dem Auto vollendet. Große Zirkusnummer, Applaus von mir.

In Bolivien auch endlich Katzen als Haus-, als Menschenfreunde willkommen. Neulich zum ersten Mal in meinem Leben, direkt neben mir, gesehen, wie sich eine Katze und ein Mensch im Schlaf umarmen können, herrlichsüß, wie Mann und Frau nach dem Akt, liegen da Katze und Mensch, Arm-Pfoten verschlungen ineinander, Augen zu, und fest am Schnurren.

Von Schildkröten, Wasserschweinen, Buntaras und Gottbesanbeterinnen habe ich geträumt, ich hab sie gemalt und gezeichnet, die Säugetierfreunde hingegen, die auch der deutsche Bauer kennt, sind nicht mehr zum Träumen, sie sind zum Anfassen, stehen hier überall auf der Straße rum und warten auf dich. Auf kleinen Waldwegen, Dschungelpfaden, Lehmbahnen kommt es zu millimetergenauen Begegnungen. Gehst so mir nichts, dir nichts spazieren, und da steht dir einfach so, ohne Hirte, ohne Zaun, ohne Bewacher, nen Pferd gegenüber, eine Kuh mit ordentlich Geweih, ein Schwein, Schafe, Lamas. Und jetzt heißt es gut zuhören, schließ Freundschaft, denn ihr werdet gleich aneinander vorbeigehen müssen, ohne dass was dazwischen passt, enger Kontakt, enges Flüstern, anfassen, wenn es beiderseitig gewollt ist, warme Schaf- oder Lamawolle, runzlige Speckhaut der Säue, strohfestes Fell der Esel.

Überhaupt, die Esel: Ich neige gern zur Übertreibung, aber nehmt bitte folgendes als Zeichen der Echtheit. Nach einigen Tagen der Reise war ich mir sicher, dass ich in meinem ganzen Leben noch nicht so viele Esel gesehen habe wie hier nach ein paar Tagen, nach vielen Wochen darf folgendes ausgesagt werden: Waren es 500?, waren es 1000?, waren es 2000?, die Esel hier reichen für ein ganzes Volk, vielleicht für einen ganzen westlichen Kontinent, sie sind omnipräsent, und ich kenn in Freiburg nur einen einzigen Ort, wo alle paar Wochen mal zwei Esel zu sehen sind, das ist alles.

Schweine gibt´s in Deutschland in Riesenbetrieben, zu 300 Stück, mit Klingel zum Kotzen, und punktgenauer Fütterung, ich war mal in so nem Betrieb und hab mit ihnen gequatscht, sie wollten doch tatsächlich nen Burger von McDonalds, die fetten Schweine ...
Auf deutschem Land kann man lange nach grunzenden Ferkeln suchen, Kühe und Pferde sind eingezäunt, immerhin noch in reichlicher Anzahl vorhanden, und warten auf dich zur Konversation.

Wenn mir jemand einen Gefallen tun will, dann schenkt er mir eine Weide und einen Esel! Ich liebe diese Grautiere, haben nicht die schwere Unnahbarkeit der Pferde und sind dennoch kräftig-freundlich. In Südamerika wird je nach Region alles gegessen, was vor die Flinte kommt: Hunde, Katzen, Pferde, Meerschweinchen etc. Esel isst man hier nirgendwo, sie sind DER Freund des Indios, heilig (und sie verabscheuen die Italiener dafür, dass sie es tun, genau wie die Inder die Europäer für ihren Kuhgenuss, oder die Deutschen die Chinesen für ihr Hundefleisch) und in diesem Punkt bin ich gerne Indio mit nem Esel als Freund. Wenn ich´s mir genau überlege, bin ich auch gerne Inder und nehme die heilige Kuh, als Andalusier das heilige Pferd, als Ire die Herde Schafe und als Deutschkopf den Schäferhund, schickt sie zum Menschentier, auf dass er um eine Illusion reicher wird ...

Vor vielen Jahren hat mich das Salzwasser so durchgespült, mir alle Erinnerungen rausgewaschen und mir eines ganz fest eingebläut: Du bist allein, hast keinen Namen, keine Heimat und kein Lieblingslied mehr. Das ist es, was du immer sein wirst, die erste Wahrheit dieser Welt und Schicksal deiner Energie. Hör auf, dich anzubiedern, anzumeiern, anzumalen, du bist ein einzelnes, leuchtendes Stück Wahrnehmung und alles andere ist nicht wirklich.

Fern von den Tieren flog ich ...

Nach der ersten Wahrheit kommt die zweite, sie baut auf, ist komplementär, anscheinend widersprüchlich, gegensätzlich: Du bist ein soziales Wesen, ein Tier mit Namen Mensch und kannst nicht alleine leben, gehst zugrunde ohne Kontakt, ohne Wärme, ohne Freundschaft, ohne Mutter. Ich öffne mich den Tieren hier so gerne, weil mir die vertrauten Tiere fehlen, schiebst deinen Rucksack tausende Kilometer über die Anden und würdest gerne mal in der Hand deiner Schwester lesen, die Augen deines Bruders leuchten sehen, die Stimme deines Freundes deine Ohren streicheln hören. Bist du da draußen und kannst mich hören? Kannst du verstehen, dass du mir fehlst, dass ich deine Antworten schätze und liebe?, dass ich dich gern drücken würde, Tee und Gebäck mit dir teile, meine Energie mit deiner verschmelzen lassen will?

Es ist gut, ein Tier zu sein und tierische Freunde zu haben, ich freue mich auf dich, ich ganz alleine.