Die Katholischen Könige

Body: 

Macht und Ruhm

Vom bescheidenen Klarissenkloster in Madrigal da las Altas Torres, wo sie das
Licht der Welt erblickte, bis zum Mausoleum der königlichen Kapelle, in dem
sie in Granada ihre letzte Ruhestätte gefunden hat, liest sich der Lebenslauf
Isabellas von Kastilien teilweise wie eine glanzvolle Legende. Und dennoch,
was für ein Wagnis geht diese energische Frau an jenem Tag des Jahres 1469 ein,
als sie, ohne überhaupt sicher zu sein, eines Tages die Regentschaft erlangen
zu können, all ihren hochkarätigen Verehrern zum Trotz ihren Vetter Ferdinand
von Aragonien ehelicht. Zehn Jahre später wird ein neues Spanien aus dem Chaos
hervorgehen. Aber auf dem Weg dorthin müssen die Adelscliquen durch Ausspielen
ihrer Uneinigkeit unterdrückt werden. Die französischen und portugiesischen
Armeen müssen zurückgeschlagen werden, und Isabellas Rivalin, die kleine Johanna,
wird in ein Kloster abgeschoben, wo sie bis ans Ende ihrer Tage bleibt.

Die Katholischen Könige: wie aus zwei Königreichen ein Staat wächst

Das Aufeinandertreffen dieser beiden Persönlichkeiten schmiedet in einem Vierteljahrhundert
das Gerüst für ein selbstbewußtes Spanien, das bereits ein moderner Staat ist,
der erste seiner Art in Europa. Die Anfänge dieses Staats liegen in einer kühnen
Propagandakampagne: Initialen und Devise des Königspaars klingen wie ein Slogan
von heute (»Tanto monta, monta tanto« - »Einer zählt soviel wie der andere«)
und selbst ihr Emblem taucht überall auf (Joch und Pfeile symbolisieren die
Vereinigung der beiden Kronen). Denn es handelt sich hier um einen doppelköpfigen
Staat, wobei jedes der beiden Königreiche seine eigenen Institutionen beibehält,
jedoch trotzdem am gemeinsamen Werk teilhat. Es geht aber auch um einen eigentlich
recht unausgewogenen Staat, da Aragonien, widerspenstig und in einer Dauerkrise
steckend, der Idee eines Vertrags oder Pakts zwischen Krone und Untertanen verhaftet
ist, während das kastilische Reich, viel dichter besiedelt und auch dreimal
so groß, eher der monarchischen Autorität unterworfen bleibt, weshalb es auch
zur treibenden Kraft des Unternehmens wird.

Der moderne Staat ist also der kastilische Staat, versehen mit einer gefürchteten
Armee, einem geordneten Rechtswesen und einer aus eifrigen Juristen bestehenden
königlichen Ratsversammlung. Die prunkliebende Aristokratie erhält so ein Gegengewicht
in Form einer wachsenden Bürokratie, die sich der auf den Bänken der Universität
von Salamanca erworbenen Diplomen rühmt und die ihre Mitglieder unter den brillantesten
Vertretern des niederen Adels rekrutiert, der mittellosen hidalguía.

Die sich mit einer heiligen Mission betraut fühlende Doppelherrschaft wartet
ungeduldig darauf, sich gegenüber Europa und dem Rest der Welt zu behaupten.
Davon zeugt beispielsweise die Unterstützung für Christoph Kolumbus, über die
hinter den Mauern Granadas während des Siegestaumels entschieden wurde. Sie
erreicht das prophetische Bewußtsein des Admirals, der später einmal sagte,
dass er sich sowohl der einen als auch der anderen Krone zugehörig fühlte. Und
in einem Brief, in dem er über die Entdeckung der Neuen Welt berichtete, rief
er aus: »Unser Erlöser hat unserem erlauchten Königspaar und dessen berühmten
Königreichen den Triumph geschenkt, worüber das gesamte Christentum in große
Freude ausbrechen möge«! Seine Entdeckungsfahrt begann Kolumbus vom andalusischen
Hafen Palos aus, wo heute alles im Schlamm versinkt und Kühe dort grasen, wo
einst die drei Karavellen ihre Segel setzten. Schon wenige Jahre später leiteten
die Entdeckungfahrten Energien, durch das Ende der Reconquista freigeworden,
zur Eroberung der Neuen Welt um. Sehr bald wird im Handel mit Westindien das
Monopol an den Hafen von Sevilla vergeben, wo der Torre del Oro am Flußufer
über alles Geschehen wacht. Die im Alcázar niedergelassene Casa de contratación
de las Indias organisiert das Auslaufen der Flotten - aus Angst vor Piraten
segelten die Schiffe nie alleine - und zieht bei ihrer Rückkehr die für den
Staatsschatz bestimmten Abgaben ein. Der Händlerzustrom macht aus der Stadt
am Guadalquivir eine der Metropolen des Welthandels. Die Bankiers und Geldwechsler
richten auf den gradas, den Stufen vor der Kathedrale, ihre »Bänke« ein (daher
stammt das Wort banco, Bank im Sinne von Geldinstitut). Ein kosmopolitisches
Treiben greift auf die ganze Stadt über, deren Fieberanfälle jeweils beim Aus-
und Einlaufen der Flotten auftreten, vor allem aber natürlich bei Ankunft der
Schiffe. Denn beim Anblick der Schätze, die aus dem Bauch der Gallionen hervorquellen,
gerät die Menge jedesmal in Extase: Sklaven, exotische Tiere, neuartige Pflanzen
und sehr früh auch Edelmetalle, welche die Fantasie der Leute kräftig anheizen
und die europäische Wirtschaft auf den Kopf stellen.

In Europa selbst liegt noch ein weiteres Aktionsfeld, auf dem der listige Ferdinand
brilliert, genialer Stratege und Diplomat, der er ist. Machiavelli dient er
übrigens als Vorbild für seinen Prinzen, neben einem anderen Aragonier, nämlich
César Borgia, dem Sohn von Papst Alexander VI. Die militärischen Mittel Kastiliens
erlauben es ihm, durch den »italienischen Traum« der Könige Frankreichs entstandene
Gelegenheiten beim Schopfe zu ergreifen - letztere zogen gegen Ende des 15.
und zu Beginn des 16. Jahrhunderts nach Italien, um das Königreich Neapel (Karl
VIII.) und das Herzogtum Mailand (Ludwig XII. und Franz I.) zu erobern. Nach
und nach werden der Roussillon, Cerdanya und dann Navarra dem französischen
Einfluß entrissen, entweder freiwillig oder mit Gewalt, wodurch der pyrenäische
Schutzwall weiter gefestigt wird. Nach dem Tode Isabellas fällt durch die Eroberung
von Neapel Süditalien während der folgenden drei Jahrhunderte unter spanischen
Einfluß, wodurch der katholische König zum Mitspieler des Papsttums und zum
Stützpfeiler einer halbwegs stabilen europäischen Ordnung wird.