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Barrio Chino

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Kultureller Streifzug durch Barcelona

Barrio Chino

Barrio Chino: das einstige Rotlichtviertel, Sündenbabel der leichten Mädchen und angeheiterten Seeleute. Den Prostituierten in dieser Ecke hat nicht nur Fellini ein Denkmal gesetzt, sondern auch die Romane Carcos und MacOrlans. Eine kleine Anekdote: die weniger bemittelten Toreros aus der Provinz stiegen, wenn sie zur Corrida nach Barcelona kamen, stets in demselben Hotel im Barrio Chino ab: im Comercio . Selbst als das Viertel und das Hotel mehr und mehr herunterkamen, ließ eine Art Aberglaube sie dort weiter logieren. Man hatte eine kleine Kapelle errichtet, in die sich die Toreros vor dem Kampf zurückzogen. Auch jene Stierkämpfer, die längst berühmt und Millionäre waren, beharrten hartnäckig darauf, im Hotel Comercio zu wohnen, auch noch in den sechziger Jahren, als das Domizil zu einem schäbigen Stundenhotel herabgesunken war. Es mußte erst abgerissen werden, bevor die Herren Toreros zu bewegen waren, ins Ritz überzusiedeln.

Noch heute nährt das Viertel romantische Vorstellungen neugieriger Besucher, die den Stern Barcelona zum erstenmal betreten. Aber keine Illusionen: von der prickelnden Vergangenheit ist heute nur noch ein Abklatsch zu spüren. Beim derzeitigen Entwicklungsstand der Verkehrsmittel ist es kein Wunder, dass die Seeleute hier nicht mehr in der Mehrheit sind.

Dennoch erinnern ein paar Straßenecken an alte, fiebrige Zeiten: in der Carrer Sant Ramon reihen sich noch immer alte Läden, finstere, zweifelhafte Spelunken und Prostituiertenbars in schreienden Farben und knalligem Neonlicht oder in schwüler, ins Rötliche spielender Schummerbeleuchtung. Einen Seitenblick ist auch die Apotheke in der Sant Ramon, Ecke Sant Pau wert. Jetzt, da das Viertel schrittweise modernisiert wird, mausert es sich in beachtlichem Tempo zum gefragten Treffpunkt: schicke Lokale und Musikcafés schießen wie Pilze aus dem Boden. Dennoch: ein nächtlicher Spaziergang durch die Gassen Sant Oleguer Rierata, Aurora und Vistalegre ist immer noch gut für einen ordentlichen Schub urbaner Romantik. Weiter oben wartet die Carrer del Hospital mit einer Reihe günstiger Pensionen auf.

Am Ende der Carrer Sant Pau, zur Avinguda del Parallel hin, stößt man auf die hübsche romanische Kirche Sant Pau del Camp aus dem 12. Jh., die inmitten der Renovierungsarbeiten wie ein Fremdkörper wirkt. Ihren Namen trägt sie nach den Feldern, die einst die Altstadt vom Montjuich-Hügel trennten. Pfarrhaus und Kapitelsaal haben hundert Jahre weniger auf dem Buckel. Das Schmuckstück der alten Klosterkirche bildet freilich der bezaubernde Kreuzgang mit seinen noch original erhaltenen Bögen.
Beachtung verdient auch die einzigartige Linienführung des Palau Güell, Nou de la Rambla 35. Das einzige Bauwerk Gaudís außerhalb Eixamples beherbergt heute das Theatermuseum (11-14h und 16-20h, ausgenommen Sonn- und Feiertage). Das Gebäude ist Gaudís erste Großtat und vereint gotische und arabische Stilelemente. Der Hauptsaal beherbergt Marmorsäulen, eine hölzerne Kassettendecke, die Orgel und erlesene Möbel. Aus dem Dach ragen nicht weniger als achtzehn (!) surrealistische Kamine, alle mit Keramik verkleidet.
Eine wahre Erholung stellt tagsüber der Besuch im alten Hospital Santa Creu dar. Eingänge befinden sich bei Nr. 47 der Carrer del Carme und in der Carrer Hospital. In diese friedliche Oase dringt kaum etwas vom hektischen Stadtlärm. Im Garten lassen sich in Ruhe die architektonischen Einzelheiten der alten Gebäude aus dem 15. bis 17. Jh. studieren, von denen einige der Bibliothek Kataloniens als Räume dienen. Innen dann gotische Gewölbe und ein Patio mit Arkaden und fantastischen Azulejos am Eingang.
Ein reizvolles Vergnügen ist es, sich unter das Treiben des Mercado de la Boqueria, auch San José genannt, zu mischen. Eingang bei Nr. 89 auf den Ramblas. Die stattliche Markthalle im Jugendstil besteht überwiegend aus Eisen und Glas. Sonntags kein Einlaß.
In Hausnummer 83 der Rambla das Antiga Casa Figuera: die ehemalige Lebensmittelhandlung, mit herrlicher, skulpturengeschmückter Mosaikfassade, beherbergt heute eine renommierte Konditorei (Montag Ruhetag).
El Gran Teatro del Liceu: an den Ramblas, etwas unterhalb der U-Bahnstation Liceu; zählte mit viertausend Plätzen zu den größten Opernhäusern Europas. Obendrein faszinierte es durch seine prächtige Innenausstattung. Das Opernhaus war das Heiligtum der großen katalanischen Primadonna Monserrat Caballe, die sich nicht zu schade war, im Duett mit Freddie Mercury, Gott hab´ ihn selig, ihre Stadt zu besingen. Besichtigungszeiten fallen erstmal aus, denn der Schuppen ist bekanntlich 1993 abgebrannt.
San-Antonio-Viertel: rund um die Ronda de Sant Antoni erstreckt sich ein volkstümliches Viertel, das über eine eigenwillige Atmosphäre und einen besonderen Charme verfügt. Die romantische Architektur des Mercat Sant Antoni an der Ecke Tamarit/Ronda de Sant Pau ist einen Abstecher wert. Sonntagvormittags findet hier der Büchermarkt statt.
Los Reales Atarazanas (Marinemuseum): Plaza del Portal de la Pau. T. 318 32 45. Öffnungszeiten: 9.30-13h und 16-19h; 10-14h an Sonn- und Feiertagen; montags geschlossen.

Die historischen Werften Barcelonas zu Füßen der Kolumbussäule haben die sechs Jahrhunderte seit ihrer Entstehung verhältnismäßig unbeschadet überstanden, als einzige in Europa übrigens. Die eindrucksvollen Hallen beherbergen heute das Marinemuseum . Es ist eines der Spannensten, die wir kennen, schon allein wegen des außergewöhnlichen Drumherums. Die Sammlung umfaßt Schiffsmodelle, Dokumente, Seekarten, kurz: alles, was mit der Seefahrt zusammenhängt. Das »Libro del Consulado del Mar« gilt als ältestes Schriftstück des Seerechts. Besonders sehenswert ist die naturgetreue Nachbildung der königlichen Galeere aus der Schlacht bei Lepanto. Dagegen berechtigt die Eintrittskarte neuerdings nicht mehr zur Besichtigung der »Santa Maria«, die im Hafen (Darsena National) vor Anker liegt. Es handelt sich um die Nachbildung jener Karavelle, die Christoph Kolumbus im Jahre 1492 nach Amerika trug. Die Inneneinrichtung fiel im Jahr 1990 einem Feuer zum Opfer.

Die Parallel: eine der wichtigsten Verkehrsadern der Stadt. Auf der rechten Seite wird sie von einem Stück der alten Stadtmauer aus dem 14. Jh. gesäumt. Um die Nr. 60 herum erstreckt sich der »Montmartre Barcelonas« mit unzähligen Bars, Stripteaselokalen und diversen Showetablissements. Zwar hat das Viertel viel von seinem einstigen Glanz eingebüßt, doch ist diese Ecke immer noch ein beliebtes Vergnügungsviertel. Das Studio 54 zählt derzeit zu den In-Discos.