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Weiterreise: Route 80

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Gen Westen

Exkurs: Massenvernichtungswaffen

Hier sollte man sich bewusst sein, dass die Reise durch geschichträchtiges und wahrscheinlich auch atomar verseuchtes Gebiet führt. Der Luftwaffenstützpunkt bei Wendover mit damals hundert Einwohnern, an der Grenze zu Nevada und 160 km von der nächsten Siedlung gelegen, war Schauplatz des »Projekts W-47«, dem Zusammenbau der Atombombe und letzten Basteleien daran. Am 16. Juli 1945 war sie erstmals bei Alamogordo auf dem White Sands Missile Range, nördlich von El Paso, nahe der I-25, der »Atomstraße« zwischen Las Cruces, grad nördlich der mexikanischen Grenze und Buffalo, am Fuße der Bighorn-Berge in Wyoming gezündet worden. Eine »Explosion eines Munitionslagers« vermeldeten die Gazetten. Immerhin erschütterte sie weite Teile des Staates.

Pünktlich während der Konferenz der Alliierten in Potsdam explodierten »Fat Man«, abgeworfen von der »Enola Gay«, über Hiroshima (200.000 Tote) und kurz darauf ein Geschwisterchen des »Fetten Mannes« über Nagasaki (140.000 Tote). Von einigen Einwohnern blieb buchstäblich nur ein Schatten, eingebrannt in den Asphalt. Warum die Bombardierungen, da doch klar war, dass Japan in Kürze die Waffen strecken mußte? Kurz vorher hatte Einstein noch einen Brief an Roosevelt losgelassen, der diesen aber wegen seines plötzlichen Todes nicht mehr erreichte und Truman, sein Nachfolger, wäre wohl eh nicht für die Botschaft empfänglich gewesen.

Die Abwürfe erfolgten einmal, um Stalin zu zeigen, wer das Sagen hatte und ferner auch aus Interesse der Militärs, um zu sehen, was ihre Bomben denn nun tatsächlich vermochten. Truman war übrigens jener Präsident, der später wegen der immer mehr in Verruf geratenden »atomic energy« dieses Wort im Zusammenspiel mit der Atomlobby durch »nuclear« in allen Dokumenten ersetzen ließ. Viele Atomkraftkritiker hierzulande lassen uns an ihrem Bewußtseinsstand zweifeln, wenn sie unbewußt durch den entsprechenden Begriff »Kernkraft« statt »Atomkraft« dieses Spiel mitmachen.

In Wendover wurde nun die Ladetechnik verbessert, denn die Bomben waren auf normalem Wege nicht in das Flugzeug zu bugsieren. Man betonierte also eine Grube mit einem hydraulischen Aufzug darunter, der die Bombe auf einer Hebebühne in die darüberstehende B-29 drückte. Ferner übten Piloten und Mannschaften hier die Anflüge mit Bombenattrappen, den »Pumpkins« (Kürbissen), denn das Flugverhalten war mit der übergewichtigen Last ganz anders als gewohnt. Von Wendover flogen sie zum Salton-See, östlich von San Diego, und warfen ihre Last über dem See ab.
Obwohl der Flughafen heute zivil genutzt wird und er nur gelegentlich zu militärischen Übungen benutzt wird, sind noch zahlreiche Spuren von Flugzeughallen, Munitionsbunkern, baufälligen Baracken, Fundamenten, Startbahnen sowie die Atombombengruben und auch Graffiti zu sehen.

Warum überhaupt Atomwaffen? Nun, die mindestens ebenso wirksamen wie schrecklichen chemischen und biologischen Waffen waren seit dem Ersten Weltkrieg mit seinen verheerenden Giftgaseinsätzen international geächtet, was allerdings kaum einen Staat in Europa und die USA abhielt, weiter an solchen Waffen zu basteln. Die USA haben bisher auch die Unterschrift unter ein Abkommen verweigert, solche Waffen nicht einzusetzen.
Nachteil der chemischen und biologischen Waffen aus der Sicht der reichen und mächtigen Industrienationen war ihre unkomplizierte und billige Herstellung. Ohne Ächtung hätte dies bedeutet, das jeder afrikanische Potentat, jeder lateinamerikanische Putschist, sie hätte einsetzen können. Dies mußte unter Androhung schwerster Sanktionen und Ausstoßes aus der Völkergemeinschaft verhindert werden.

Die ebenso schlimmen Atomwaffen konnten sich nur die Großmächte unter enormem Aufwand an Geld, Forschung und Technik zulegen. Den Habenichtsen blieb so der Zugang zu Massenvernichtungsmitteln lange Zeit verwehrt, so dass die »Großmächte« derart die Gewalt über den Rest der Welt ausüben konnten. Als ersichtlich wurde, dass sogenannte Schwellenländer, also Staaten der »Zweiten« oder »Dritten Welt« (China, Indien, Pakistan, Korea, Südafrika, Israel u.a.) ebenfalls an der Bombe werkelten, kam der Atomsperrvertrag 1970.

Unter rein militärischen und ökonomischen Gesichtspunkten wären biologische und chemische Waffen wesentlich besser geeignet als atomare, denn ein Bömbchen mit Typhus, Ruhr, Wundbrand, Pocken, Beulenpest oder anderen Seuchen bzw. Mischungen davon, schön im Wind über einer Stadt verbreitet, würde alle Lebewesen (seit dem Golfkrieg: »soft targets«, weiche Ziele) in Kürze töten, aber die gesamte Infrastruktur, Fabriken, Verkehrswege, Maschinen, Häfen u.a. unversehrt in die Hände des Angreifers fallen lassen. Die Stadt wäre binnen weniger Tage wieder zu betreten gewesen, was bei Atombomben, die leider alles pulverisieren (also auch sog. »harte Ziele«) nicht der Fall ist.

Übrigens wurde auch in Deutschland an nichtatomaren Massenvernichtungsmitteln gearbeitet, wie Günther Wallraff in den Siebzigern durch einfachen Anruf bei einer Hamburger Firma als angeblich zuständiger Beamter für Bestellungen herausfand.
Ein dunkles Kapitel betrifft auch die T-Säure-Erzeugung bei Boehringer in Hamburg, einem hochgiftigen, dioxinhaltigen Ausgangsstoff für die Produktion von »Agent Orange« des amerikanischen Chemiekonzerns Dow Chemicals. Boehringer, der sowohl Backpulver wie auch das Pflanzenschutzmittel Lindan herstellte, das, in Holzschutzmittel gemischt, schwere Vergiftungen bewirkte, hatte 1956 die giftigste bisher bekannte Chemikalie entdeckt und es verstanden, diese Gefährlichkeit nach außen hin, u.a. durch Politiker, die Druck auf Wissenschaftler und Ärzte ausübten, geheimzuhalten, wohingegen die Gefährlichkeit innerhalb des Betriebes bekannt war. Die Firma, an der auch der Vatikan Aktien hielt, stellte diesen Stoff zur Entlaubung des Waldes für den Vietnamkrieg her. Mit diesem T-säurehaltigen Produkt konnten sowohl die Bewegungen der Vietkong besser kontrolliert, als auch die Ernte vernichtet werden. Boehringer, diverse Mitarbeiter und auch die Amerikaner wußten sehr wohl, was sie da versprühten. Verantwortlich für den Arbeitsschutz (!) war von 1962-66 der so integer scheinende Richard v. Weizsäcker, der im Boehringer-Werk in Ingelheim saß und von Chlorakne, einem sicheren Hinweis auf Dioxinvergiftung, nie etwas gehört haben will, obwohl Dokumente ganz andere Schlüsse zulassen. So ganz koscher schien er uns schon früher nicht zu sein, hat er doch vor dem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal seinen Vater verteidigt, dessen Unterschrift paraphiert unter dem Wannsee-Dokument prangte, das die künftige »Endlösung der Judenfrage« festhielt.

Zahlreiche Arbeiter können Sankt Weizsäcker leider heute keine unbequemen Fragen mehr stellen, weil sie mittlerweile an diversen Krebsleiden, Leber-, Milz-, Nierenerkrankungen oder anderen Leiden, von denen die Chlorakne ja nur ein Symptom ist, krepiert sind. Betroffen sind natürlich auch Tausende von Vietnamesen und vergiftete US-Soldaten. Weizsäcker muß gut an der Giftproduktion verdient haben, denn er war – man höre und staune – laut Handelsregister Mitinhaber der Giftfirma. Zwar reiste er als Tugendapostel in aller Welt umher, dankte Chile für die »menschliche Behandlung« Honeckers und sprach sich für die Entschädigung von Naziopfern in Litauen aus, was ja auch richtig ist, aber unbekannt ist uns, was er für die Opfer seiner Firma getan hat. Er hat halt den Vorteil, einen schönen »väterlichen« Kopf zu besitzen ... Nicht umsonst müssen hohe Politiker diesem Vaterbild entsprechen. Je mehr sie es tun, desto heller der Heiligenschein. Weizsäcker war laut einer Umfrage 1996 der beliebteste und geachtetste Polikiker Deutschlands.

Wer da die Wut kriegt, weil er sich seinen Glauben wieder mal nicht nehmen lassen will, feuere unser teuflisches Werk ruhig in die Ecke. Neugierige lesen im Spiegel 31 und 32/91, Der Tod aus Ingelheim, und 48/92, Eine unselige Geschichte

Weitere interessante Links:
EIN MORDSKERL, UNSER BUNDESPRÄSIDENT
Die Bombe für den Führer, Agent Orange nach Vietnam, vom TIGER zum LEO