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Kulturerbe

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Das größte archäologische Erbe der Welt

Last und Verfall der Kostbarkeiten Roms

Versuche der Restaurierung

Das Bild wiederholt sich hundertfach am Tag. Nach alter Sitte werfen Besucher Roms Münzen rückwärts über die Schulter ins Wasserbecken des Trevi-Brunnens, auf dass sie eines Tages in die Ewige Stadt zurückkehren mögen. Zeitgemäß wäre es, diese abergläubische Handlung mit einer weiteren Bedeutung zu unterlegen, nämlich mit der inständigen Bitte, dass bei der Rückkehr Roms imposante Monumente nicht endgültig verfallen sein mögen.

Was lange als kostbares, einmaliges Geschenk einer großen Geschichte empfunden wurde, lastet mittlerweile bleischwer auf Roms Schultern: das größte und bedeutendste archäologische Erbe der Welt. Die Rettung kostbarer und unersetzlicher Überreste einer fernen Vergangenheit scheint immer tiefer in Widerspruch zu geraten mit dem Fortschritt einer in rasantem Wachstum begriffenen Gesellschaft. Die Probleme Roms mit seinem reichen Kulturschatz wachsen in den Himmel. Wer um diese Schwierigkeiten weiß, sieht die zweieinhalb Jahrtausende Kultur dieser Stadt mit anderen Augen und verschmerzt die Enttäuschung über die vielen verhüllten Sehenswürdigkeiten und geschlossene Museumssäle vielleicht eher.

Was einfallende »Barbaren«, dutzendfache Eroberungen und Verheerungen Roms, was der Vandalismus der beginnenden Neuzeit, als das antike Zentrum in einen Steinbruch umgewandelt wurde, was Feuersbrünste und Erdbeben verschont ließen, das zerbröselt nun seit einigen Jahrzehnten im aggressiven Giftgemisch der Moderne. Zu den schärfsten Feinden der Reliefsäulen von Trajan und Mark Aurel, der Triumphbögen und Tempel, wurden das Zwei-Millionen-Heer römischer Autos und die im Zuge des Wohlstands in fast allen Häusern eingebauten Heizungen. Marmor, der zweitausend Jahre überdauert hatte, zersetzt sich im schwefligen Smog in einem unumkehrbaren Prozeß zu pulvrigem Gips, der von heftigen Regengüssen fortgespült wird. Im Jahre 1979 fanden die Alarm schlagenden Archäologen das erste Mal Gehör, hatten ihre Analysen doch gezeigt, dass zum Beispiel an der Trajanssäule bereits über ein Viertel der Skulptursubstanz zerfressen war. Ein Zustand, der im übrigen offen zutage lag, denn siegestrunkene, strahlende Kriegergesichter waren längst zu leprösen, totenhaften Masken zerfallen, und einst so kraftvolle Körper trugen bereits alle Zeichen der Vergänglichkeit – wenngleich der schwarze Rußüberzug den wahren Zustand des Marmors ein wenig verbergen konnte. Verlorengegangen waren Feinheit und Reichtum der Bildersprache.

In den achtziger Jahren konnten Fachleute endlich darangehen, den Verfall zu bremsen und noch zu Rettendes zu retten. An ausgewählten, spektakulären Werken versteht sich, denn der Reichtum römischer Antike erlaubte eine Kur lediglich für eine kleine Elite.

Die Siegessäulen von Trajan und Mark Aurel, der Saturn-Tempel, die Triumphbögen von Titus, Konstantin und Septimius Severus wurden jahrelang mit grünen Planen verhüllt und Millimeter für Millimeter gereinigt. 1991 fielen auch die Hüllen am Trevi-Brunnen, der von seinen schwarzen und grünen Schlieren befreit worden war. Die barocke Travertin-Fassade der Kirche S. Andrea della Valle aus dem 17. Jahrhundert war für die Römer kaum wiederzuerkennen: hinter der grauen Front trat auf einmal wieder strahlender Marmor hervor. Die Wissenschaftler entwickelten neue, schonende Sanierungstechniken. In einem aufwendigen Verfahren wurde der poröse Stein anschließend versiegelt. Doch das Geld ist knapp – und so kommt es, dass der gewaltige Bogen des Septimius Severus unterhalb des Kapitols nur zur Hälfte restauriert wurde. Eine Hälfte blieb schwarz.