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Sehenswürdigkeiten

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Kulissenstadt für grandiose Feste und glanzvolle Zeremonien

Das Konkurrenzverhältnis zweier Barockkünstler

Die berühmte Spanische Treppe

Der nächste Spaziergang führt mitten durch eine in Szene gesetzte Kulissenstadt, deren »Schau«-Plätze wie geschaffen scheinen für grandiose Feste und glanzvolle Zeremonien. Der Barock hat das Gesicht Roms verändert, es als ureigenster römischer Stil unverwechselbar und mit schwungvoller Schönheit geprägt. Der Vier-Ströme-Brunnen auf der Piazza Navona, der kolossale Trevi-Brunnen, die von beschwingten Engeln gesäumte Engelsbrücke und die monumentale Kolonnadenanlage des Petersplatzes – was sind diese kühnen und schwelgerischen Bauwerke anderes als überdimensionale Bühnenbilder?

Arrangiert wurden sie zur Inszenierung päpstlicher Macht, in einem Moment, als die unangefochtene Position der katholischen Kirche von Protestantismus und Reformation in ihren Grundfesten erschüttert war. Der wirtschaftliche und politische Schwerpunkt Europas verlagerte sich nach Norden, die mittelalterliche Welt war längst aus den Fugen geraten. Das Papsttum war bemüht, sich im Inneren zu festigen und stellte sich nun mit den Mitteln der Kunst in den Mittelpunkt der Welt. Die Kunst war es denn auch, die im immer prächtiger ausgeschmückten Rom den Schein der einen, weltbeherrschenden Kirche aufrechterhielt. Das 17. Jahrhundert feierte mit dem Barock den Triumph der Gegenreformation, die äußerliche Wiederherstellung des alten Glanzes. Nie waren die Päpste so kunstvernarrte Bauherren, so verschwenderische Mäzene, so grenzenlos dem Repräsentationswillen ihrer Macht verfallen. Für Rom ging damit eine künstlerische Sternstunde einher. Die begabtesten Baumeister und Maler aus Florenz, Siena und Neapel zog es nun nach Rom.

Zum Mann der Stunde wurde Gianlorenzo Bernini, ein virtuoses, temperamentvolles und einfallsreiches Kunstgenie mit brillantem Regietalent. Roms Kulissenzauber entspringt zu einem großen Teil seinem Lebenswerk, das er unter acht Päpsten vollbrachte. Bernini ist der Meister der Imagination, der Meister des sinnlich-lebensnahen Barock. Sein eifersüchtiger Gegenspieler war der begabte Architekt Francesco Borromini. Über das kabalenreiche Konkurrenzverhältnis der beiden Barockkünstler, von ihren Intrigen und haßerfüllten Provokationen, wissen noch heute viele Römer Anekdoten, detailreich und bunt ausgeschmückt, zu erzählen – so recht für römisches Gemüt scheinen sie.

In die Haare gerieten sich die Rivalen Bernini und Borromini zum Beispiel auf Roms belebtester Bühne, der Piazza Navona. Mit seiner unbedingten Vorliebe für gebrochene Linien, für geschwungene Fassaden, kurvenreiche Grundrisse und ovale Kuppeln, für die abwechslungsreiche Folge von Giebelchen, Wölbungen und Ausbuchtungen, von Pfeilern und Säulen, hatte Borromini die Fassade der Kirche Sant´Agnese in Agone gestaltet. Bernini war beauftragt worden, gegenüber, in der Mitte des Platzes, eine prunkvolle Brunnenanlage zu schaffen. Es entstand das fantasievolle Wasserspiel des Vier-Ströme-Brunnens mit den Riesenskulpturen der Flußgötter von Nil, Ganges, Donau und Rio de la Plata, jeweils geschmückt von Pflanzen und Tieren der zugehörigen Erdteile. Als ob der Einsturz der Borromini-Kirche unmittelbar bevorstünde, hat die Figur des Rio de la Plata die Hand ängstlich zum Schutz erhoben. Der Nil-Gott verdeckt sich die Augen, um die Konstruktionsfehler Borrominis Sant´Agnese nicht sehen zu müssen.

Der erzürnte Borromini rächte sich mit der heimlichen Demolierung des Glockenturms von Sankt Peter und der Kapelle von Propaganda Fide gegenüber der berninischen Werkstatt. In der Nähe der Spanischen Treppe ließ Papst Urban VIII. von den beiden Rivalen den Bau des Palazzo di Propaganda Fide ausführen, seit 1622 Missionszentrum der katholischen Kirche, nämlich Sitz der »Kongregation für die Verbreitung des Glaubens«. Auch hier konnten sie sich ihren Kleinkrieg nicht verkneifen: Borromini ließ dem Feind ein Wappen mit Eselsohren anfertigen, Bernini antwortete mit dem Anbringen eines gewaltigen männlichen Glieds – Spuren der Rivalität, die im vergangenen Jahrhundert beseitigt wurden. Die berühmte Spanische Treppe wurde übrigens erst hundert Jahre später, 1723-26, als ein Schlußakkord des Spätbarocks von dem Architekten Francesco de Sanctis geschaffen. Tag und Nacht ist dieser charakteristische römische Platz heute ein beliebter Treffpunkt. Das Viertel rundherum gibt mit seinen extravaganten und schillernden Boutiquenauslagen die moderne Kulisse dazu ab. Bei der Aufstellung des kleinen Obelisken 1787 war Goethe zugegen gewesen. Im aufgeschütteten Erdreich kamen Scherben und antike Reste zum Vorschein, denn hier hatten die prächtigen Gärten des Lukullus gelegen. Lange Zeit war die Treppe Peripherie, Stadtgrenze, führte ins Freie, in die weite Villenlandschaft. Bis zum Ersten Weltkrieg brach der Adel hier zu seinen Fuchsjagden auf.

In Höhe der Treppe war der Porto di Ripetta gelegen, der Flußhafen, der nach der Regulierung und Einfassung des Tibers durch Kaimauern nach dem Vorbild der Seine überflüssig geworden war und beim Bau der Cavourbrücke einfach abgerissen wurde. An seiner Stelle steht heute die später erwähnte Ara Pacis. Die Treppen, die einst vom Fluß das Ufer hochführten, mußten so angelegt werden, dass Träger und Lasttiere bequem aufsteigen und auf den Absätzen verweilen konnten. Daher erklärt sich also die Anlage der Spanischen Treppe, und nicht aus der absolutistisch-hierarchischen Konzeption als Empfangstreppe.

Durch die Einzwängung zwischen Mauern und seine Tieferlegung verlor die Stadt den Bezug zu ihrem Fluß. Einst war er voller Leben. Alte Fotos zeigen ihn mit zahlreichen Booten und selbst von Dampfschiffen befahren. Noch 1925 unternahm man den Versuch, eine Fähre nach Ostia und Anzio einzurichten.