Machen wir ein Buch?

Reise, Sachbuch, Belletristik ...?
Alle interessanten Themen;
alles was bewegt.

Hier geht´s weiter!

Entdeckung

Body: 

Henry Purcell

Ein verspäteter Orpheus Britannicus

Auf Henry Purcell (1659-95), voller Stolz auch Orpheus Britannicus genannt, gründet sich maßgeblich das musikalische Selbstbewusstsein der Briten. Dabei hat dieser hochdekorierte königliche Komponist des Barock, der im Großteil seiner Werke noch der musikalischen Renaissance verpflichtet war, jenseits der Insel noch lange nicht die Anerkennung erlangt, die ihm zustünde.

Bekannt sind dem breiteren Publikum am ehesten Purcells King Arthur oder Fairy Queen, wegen ihrer Stellung zwischen Drama und Oper „Semi-Opern“ genannt. Auch seine einzige echte Oper, Dido and Aeneas, gehört dank reger Aktivitäten von historischen Ensembles heute zum CD-Bestand vieler Enthusiasten alter Musik. Noch zehrt die Purcell-Rezeption vom Ruhm jener Bühnenwerke, die er im letzten Jahrfünft seines kurzen Lebens schuf. Die in den Jahrzehnten zuvor entstandene Kammermusik bleibt dagegen, was sie bei ihrer Entstehung war: eine Sache für Spezialisten unter den Zuhörern und Musikern.

Im Vergleich zu den Vielschreibern des Barock geriet Purcells Werk schmal, und es trägt wenig Innovatives in sich. Eher neigt er zu schönen Abgesängen auf niedergehende Instrumente (z.B. Gamben) oder überkommene Formen. Dass sich seine Werke dabei nur nationaler Traditionen bedienen, mag daran liegen, dass Purcell auf Auslandsreisen und damit die Begegnung mit der italianisierten Musikwelt verzichtet hat. Das macht Purcell in allen kompositorischen Belangen zum „Verspäteten“. Erst als sich mit den Charakteristika seines Stils – etwa der enormen Ausdrucksfreiheit mit unvermittelten Vorhalten, exzessiver Chromatik und dissonanzreicher Harmonik – in den späteren Bühnenwerken Einflüsse der französischen Ouvertüre und des italienischen Gesangs verbanden, entstanden jene weiträumigen, rhythmischen federnden Melodien, denen selbst Händel etliches ablauschte.

Als Purcell endlich die Oper für sich entdeckte, war auf dem Kontinent schon lange der Schritt ins musikalische Barock getan. Da war jene Renaissance schon überwunden, deren paritätische Vielstimmigkeit Purcell zur letzten großen Vollendung geführt hatte. Den Aufbruch in die Welt des begleitenden Ausdruckgesangs hat der Orpheus Britannicus nur in Ansätzen noch miterlebt.