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Kathedrale

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Westminster Cathedral

SW1: Pimlico & Millbank

Westminster CathedralAshley Place, off Victoria St, SW1, T. 7798 9055. www.westminstercathedral.org.uk. U Victoria. Tgl. 7-19h. Eintritt frei. Audioguide 4 €.

Dank des Catholic Emancipation Act wurde die römisch-katholische Kirche 1850 wieder zugelassen. Nun fehlte es an einem Arbeitsplatz für den Bischof von Westminster. Der wurde 1895 in Angriff genommen, aber erst 1903 fertiggestellt, drei Jahre nach dem Tod ihres Architekten. John Francis Bentley verpasste Großbritanniens größter katholischer Kirche (110m Länge) in Anlehnung an die Hagia Sophia ein neo-byzantinisches outfit, weil das billiger war als die übliche Neogotik.

Schon ihr Äußeres, quergestreift aus roten Ziegeln und weißem Portlandstein, gibt sich erstaunlich unbritisch. Wenige Menschen schauen auch mal rein, wo sich Mosaiken und blanke Ziegeln abwechseln und der schöne Altar aus Cornwall-Marmor schon durch seine Größe beeindruckt. Zu viel mehr Schmuck reichte das Geld nicht, doch die nüchterne Stimmung wirkt als Kontrast zum Verkehrslärm ungemein erholsam.

Phototipp. Vom 87m hohen Glockenturm (nur per Fahrstuhl, tgl. 9.30-17h, Sep-März nur Do-So. Eintritt 4/2 €) genießt man feine Aussichten über die Stadt.

Ein Fenster für Oscar. 100 Jahre nach der Uraufführung seiner Komödie Bunbury or The Importance of Being Earnest wurde Oscar Wilde (1856-1900) im Juli 1995 mit einem Ornament in einem Fenster der Westminster Cathedral geehrt. Das enfant terrible seiner Zeit taucht dort zwischen Shakespeare und George Eliot auf. Während Shakespeare dazu ein steinernes Ehrenmal erhielt und Eliot (alias Mary Ann Evans) einen Gedenkstein im Boden, mussten modernere Autoren sich aus Platzmangel mit Fensterplätzen begnügen. Immerhin, das Ornament war ein großer Schritt zur Rehabilitierung Wildes, der auf der Höhe seines Ruhmes 1895 wegen Homosexualität zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Nach der Haft wanderte er todkrank nach Paris aus, wo er bald im Alter von 44 Jahren starb, völlig verarmt und zum Katholizismus konvertiert.

Tate Britain

Millbank, SW1, T. 7887 8008. www.tate.org.uk. U Pimlico. Tgl. 10-17.50h, Einlass bis 17h. Eintritt frei. Führung (1 Std) frei, Mo-Fr 11/12/14/15h, Sa/So 12/15h ab Eingang. Audioguide 1,50 €.

Bis zur Eröffnung der Tate Modern schlicht als Tate Gallery bekannt, stammt ihr Name von Sir Harry Tate. Der Zuckerbaron stiftete 1897 seine beträchtliche Gemäldesammlung und dazu genug Geld zur Errichtung des klassizistischen Klotzes just dort, wo bis 1890 das übel beleumundete Millbank-Gefängnis stand. Heute ersetzt Kunst das blanke Elend.

Die Ausstellung bietet den umfassendsten Querschnitt englischer Malerei seit 1500. Hier begegnen wir Constable (drei Räume), Gainsborough, Reynold, Spencer, Hockney, Bacon und Whistler wieder, deren Porträt-Talent wir in der NPG bewundern konnten. Außergewöhnlich: das Ganze ist nicht chronologisch oder stilistisch geordnet, sondern nach Themen.

In der Clore Gallery (1979) hängen 300 Werke William Turners in feinem PoMo-Rahmen – für Turner-Liebhaber ein Erlebnis! An Wert gewann die Sammlung noch, als 2003 seine Gemälde Shade and Darkness und Light and Colour (Goethe´s theory), die 1994 gestohlen worden waren, in den Tate-Besitz zurückkehrten.

Beachtung verdient auch die zeitgenössische Kunst, samt einiger Cézannes, van Goghs und Rousseaus. Zum Tate-Programm gehören zudem Vorträge und Lesungen, während Wechselausstellungen (meist 10/8 €) die neuen Linbury Galleries füllen. Werke der Kandidaten für den Turner Prize werden von Ende Okt bis zur Preisverleihung Mitte Jan ausgestellt (8 €).

Pause. Es gibt eine Espresso-Bar, und das Tate Restaurant genießt einen superben Ruf (tgl. 12-15h. Tischbestellung ratsam, T. 7887 8825).
Tate-to-Tate. Seit 2003 besteht ein fescher Boots-Shuttle zwischen den Kunst-Welten. Ein schlanker Katamaran, seinerseits ein Kunstwerk und von Damien Hirst dekoriert, pendelt alle 20 min zwischen Tate Britain und Tate Modern (Ticket 6 €, mit Travelcard 4 € Kind 3 €. Verkauf an Bord, in beiden Galerien, online oder T. 7887 8888), mit Zwischenstopp am London Eye. Unterwegs stellen Videos die Tate-Sammlungen vor.

Tate: Wieso steckt Turner den Kopf zum Fenster raus?

1979 nahm die Clore Gallery das riesige Oeuvre William Turners (1775-1851) auf. Obwohl sein Schaffen ihm ein beträchtliches Vermögen einbrachte, zog der Meister der Landschafts- und Seemalerei es vor, allein in seinem großen Haus zu leben, in dem es von Spinnweben und Katzen wimmelte. In diesem Halbdunkel entstanden farbenprächtige, lichtvolle Meisterwerke. Sein einziger Rivale war sein Freund Tom Girtin, dessen Talent Turner so sehr bewunderte, dass er später behauptete: „Hätte Tom länger gelebt, wäre ich sicher verhungert.“ ? An einem stürmischen Tag des Jahres 1845 traf eine junge Frau den greisen Turner im Zug. Er bat sie um die Erlaubnis, das Fenster öffnen zu dürfen, streckte den Kopf hinaus und setzte sich eine Viertelstunde lang dem Gewitter aus. Dann kehrte er auf seinen Platz zurück und verharrte dort lange Zeit mit geschlossenen Augen. Diese Episode mündete in eines der bekanntesten Turner-Bilder: Rain, steam and speed.

MillbankAm linken Themse-Ufer, zwischen Parlament und Vauxhall Bridge.

Dass die Straße, an der die Tate Britain liegt, noch zu Westminster gehört, macht sie auf Schritt und Tritt deutlich. Mal wieder überschattet Politik die Kunst: Der 240m hohe Millbank Tower schräg vor der Galerie war jahrelang das Domizil von Labour. Weiter nördlich, in 32 Millbank, residiert bis heute die Konservative Partei. Und wer über die Themse blickt, kommt nicht vorbei am massiven, creme-farbenen und grün-verglasten Büroblock, dem Hauptquartier des umstrittenen Geheimdienstes MI6.

Doch Schönheit liegt gleich ums Eck: An der Lord North St drängen sich einige der feinsten georgianischen Stadthäuser. Hier zu wohnen ist (nicht nur) für Parlamentarier eine Frage des Prestiges.