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Brücke

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Westminster Bridge

Werther meets Wordsworth

Eines schönen Morgens im Sep 1802 überquert ein junger Mann die Themse. William Wordsworth (1770-1850) ist unterwegs zu Freundin und gemeinsamer Tochter in Frankreich, und weil er später zu Englands großem Romantiker aufsteigt, kennt jeder sein Sonett Composed upon Westminster Bridge – wenngleich sich viele Schüler dieser Übung heute nur noch maulend unterziehen.

Earth has not anything to show more fair:
Dull would he be of soul who could pass by
A sight so touching in its majesty:
This City now doth, like a garment, wear
The beauty of the morning; silent, bare,
Ships, towers, domes, theatres, and temples lie
Open unto the fields, and to the sky;
All bright and glittering in the smokeless air.
Never did sun more beautifully steep
In his first splendour, valley, rock, or hill;
Ne´er saw I, never felt, a calm so deep!
The river glideth at his own sweet will:
Dear God! The very houses seem asleep,
And all that mighty heart is lying still.


Nichts Schön´res auf Erden, majestätische Aussicht, strahlender Himmel, eintauchende Sonne, erster Glanz, tiefe Ruhe, gleitender Fluss, lieber Gott, mächtiges Herz: Da lebt unser Werther gleich wieder auf, abzüglich des Weltschmerzes.

Tipp. Rezitieren Sie mal die ersten Zeilen dieses Sonetts versonnen, wenn sich ein Gentleman in Hörweite befindet – und seien Sie auf einiges gefasst!

SW1: Westminster

U Westminster.

Amüsiert weisen Londoner darauf hin, dass sich zwei ihrer großen Institutionen an der Themse gegenüber stehen: die Kirche im Lambeth Palace, der Staat in den Houses of Parliament. Und dann wäre da noch die meistbesuchte Abtei der Christenheit. In ihrem Schutze stieg Westminster zum politischen Zentrum des Landes auf. Wo heute das Parlament steht, befand sich der Königspalast, nur bedeutend größer als das neogotische Gebäude, das bis heute Palace of Westminster heißt. 1992-95 wurden Abbey, Uhrturm (Big Ben) und Parlamentsgebäude vom Fassadenschmutz der Jahrhunderte befreit und erstrahlen wieder im alten Glanz.

Sex and the City. Wie die City of London hat Westminster seinen Lord Mayor, liegt aber schon in der Grafschaft Middlesex; das Wort entstand aus Middle Saxony (Mittelsachsen). Wer vor dem Uhrturm steht, muss sich nur umdrehen: der neogotische Bau gegenüber ist das Rathaus von Middlesex. Jenseits der Themse liegt Surrey, und jenseits der City, im East End, steht man in der Grafschaft Essex. Erraten: East Saxony.

Westminster Abbey Broad Sanctuary, SW1, T. 7654 4900. www.westminster-abbey.org. Mo-Fr 9.30-16.45h (Sep-März -15.45h), Sa 9.30-14.45h (-13.45h), So nur für Gottesdienste. Eintritt 12/8 €, Kind (11-16) 8 €, Familie 27 €. Führung (1½ Std) 6 € plus Eintritt, Mo-Sa tgl. sechsmal (Nov-März viermal), Termine & Buchung: T. 7222 7110. Audioguide 5 €.

Bereits Eduard der Bekenner, der vorletzte angelsächsische König (1042-66) und übrigens ein Albino, ließ an dieser Stelle ein Gotteshaus errichten, das zu Weihnachten 1065 geweiht wurde – gerade rechtzeitig für seine eigene Beerdigung, denn er starb acht Tager später. Im Nachfolgebau, der Westminster Abbey, wurden außer den Kurzzeit-Regenten Eduard V. (1483) und Eduard VIII. (1936) alle Monarchen seit 1066 gekrönt, auch wenn der Krönungssessel aus Eiche gar nicht so wichtig tut. Bis 1760 fanden die meisten hier auch ihre letzte Ruhestätte, doch nach dem Tode Georgs III. (1820) wurde diese Aufgabe nach Windsor delegiert. Zuletzt fanden die Trauergottesdienste für Prinzessin Diana (1997) und die Queen Mom (2002) in der Abbey statt.

Abbey praktisch. Die Abtei zieht jährlich 3-5 Millionen Besucher an. Also kommt man früh, recht spät oder Mo-Do nachmittags. Das Haupthaus ist 156m, das Querschiff immerhin 61m lang; in diesem überwältigenden Bauwerk befinden sich 400 Grabmäler, 3000 Grabinschriften (epitaphs) und Statuen sonder Zahl. Hier lohnt sich also eine Führung mit einem der Abbey Vergers. Photographieren ist abbey-weit verboten.

Musik. Von Juni-Aug steigen in der Abbey meist Di 18.30h feierliche Konzerte (12/8 €).