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Letztes Refugium für Gentlemen

Um St James´s existiert ein ganzer Schwarm von Gentlemen´s Clubs, von konventionell bis exzentrisch. Ihre Vorteile liegen auf der Hand in einer Stadt, die so groß ist, dass mancher zwei Std für den Heimweg braucht. Sie dienen als Treffpunkt für Besprechungen oder zum Ausspannen zwischen Büroschluss und Abendspaß, hier wechselt man die Kluft, speist oder arbeitet im gym ein paar Gramm ab. Tagsüber träumt die halbe City vom Feierabend im Clubsessel: den Sherry rechts, die Times links, schwätzchenbereite Kollegen geradeaus.

Wissenschaftler und Künstler treffen sich z.B. im Atheneum Club, der am Waterloo Square im neoklassizistischen Bau mit Kopien der Parthenonfriese residiert; seine Bibliothek umfasst 140.000 Bände. Auch die Nachbarn sind nicht zu verachten, ebenso wenig der liberale Brooke´s, der sich im 19. Jh. den Tories im staubtrockenen White´s Club entgegenstellte. Allmählich verlagert sich die Club-Szene aber ins West End, etwa ins Home House für die Film-, Fashion- und Finanzwelt oder zu Chinawhite mit dem Flair von Bali. Im Groucho, dem Club für Medienschaffende, bearbeitete Bill Clinton mit Bono mal die Klampfe.

Wie kommt ein Normalsterblicher rein?

Jederzeit als herausgeputzter Gast eines Mitglieds. Oder als Mitglied selbst: Viele Clubs in W1 nehmen Overseas Members (sogar Deutsche) auf, sofern sie als Jahresbeitrag 1000 € (Chinawhite, Air St. www.chinawhite.com) oder 1200 € plus 1200 € Aufnahmegebühr (Home House, Portman Square. www.homehouse.co.uk) erübrigen können.

Die Strenge des Auswahlverfahrens hängt vom jeweiligen Club ab. Auf der sicheren Seite sind Selbständige mit Hauptwohnsitz in Monaco. Nur bei White´s nicht, denn der Älteste aller Gentlemen´s Clubs rühmt sich auch der Härtesten aller Auslesen: Mann kann nur von einem Mitglied nominiert werden. Nach tiefschürfender Prüfung seiner Reputation kommt der Name des Kandidaten ans Schwarze Brett und bleibt sieben Jahre lang hängen. Falls in dieser Zeit nur eines der 700 Mitglieder ein No drunter setzt, ist die Bewerbung bis in alle Ewigkeit abgelehnt. Aber wer möchte schon mit dem Duke of Northumberland an einer Bowle nippen, die seit 1763 nach demselben Rezept angesetzt wird?

Flucht vor dem Weibe

In einem viktorianischen Prachtbau von Covent Garden liegt der Garrick Club, gegründet 1831 vom Herzog von Sussex und benannt nach einem Schauspieler jener Zeit. 1998 machte der Club Schlagzeilen, weil seine Mitglieder, Kennzeichen lindgrüner Schlips mit rosa Streifen (kurz: Gurke mit Lachs), einen „Antrag auf Zulassung der anderen Hälfte der menschlichen Rasse“ abschmetterten. Frauen dürfen weiterhin nur im rosafarbenen Pooh Room speisen – in männlicher Begleitung. Lord Lester sah keinen Handlungsbedarf, da es genug weibliche Zier gebe: schließlich zeige jedes dritte Ölbild im Club berühmte Schauspielerinnen. Ein zweiter Diskuttant verriet dem Observer, wohin die Aufnahme von Frauen führe: sie verlangten mehr Platz für Toiletten und gingen jedem auf die Nerven. Ein Dritter schließlich meinte, Frauen würden die „gelegentlich scharfen Wortgefechte nicht ertragen und gleich in Tränen ausbrechen“.

Andere Clubs, andere Apartheidsregeln. Im Oxford & Cambridge darf frau ihren Portwein nicht in der Prunkbibliothek nippen. Brook´s duldet kein weibliches Wesen in Bar, Billardzimmer oder Rauchsalon. Im Atheneum, dem auch Bischöfe angehören, sollen Frauen die große Eingangstreppe nur abwärts nutzen, zum Verlassen des Gebäudes. Auch in Boodle´s (1762) kommen Frauen nur via Lieferanteneingang rein. White´s (1693) an der Ecke Piccadilly/St James´s St ist nicht der einzige Club, der „Damen unter keinen Umständen zu keinem Zeitpunkt“ zulässt. Im Carlton kippte diese Tradition 1977, weil der Parteichef der Tories kraft Amtes Mitglied ist, und „der“ hieß damals Margaret Thatcher.

Doch die bessere Hälfte der menschlichen Rasse nimmt´s gelassen. Vicky Ward meint im Independent: „Lasst doch die Gentlemen in ihrem Club in Frieden verrotten.“ Dass in Clubland noch große Entscheidungen fielen, sei ein Mythos. Auch Times-Kolumnistin Janet Daley plädiert dafür, diesen „selbstzufriedenen Snobismus“ zu ignorieren. Geldnot werde ohnehin zur Schließung einiger Clubs führen, wenn sie sich nicht öffneten.

Da mag Ms Daley recht haben. Aus genau diesem Grund lässt der Reform Club, 104 Pall Mall, seit 1981 auch Frauen zu. Dabei besitzt er sogar einen Platz in der Weltliteratur: Jules Vernes Romanheld Phileas Fogg schloss hier die Wette ab, er werde in 80 Tagen um die Welt reisen, bevor er sich in Begleitung des Dieners Passepartout auf die Socken machte.

Ms Ward empfiehlt Interessentinnen, in jene Clubs zu schnuppern, die seit 1990 im West End florieren. Mit deren Klientel will der wahre Gentleman natürlich nichts zu tun haben. Ihn hält es auf geschichtsträchtigem Terrain, wo ihm keine Vicky zu nahe kommt. Lieber lässt er sich im Beefsteak Club von Winston oder bei Pratt´s von George bedienen. So war es schon 1705, und 1805, und 1905. Warum also etwas ändern?

Kennerinnen der britischen Männerseele vermuten, ein Club befriedige das dringende Bedürfnis, in einem Quasi-Internat ewige Schuljungen bleiben und dem strengen Blick von Mami, Nanny oder Gattin entkommen zu können. Lord Lester jedenfalls kam zum Fazit: „Männer gehen in den Club, weil sie vor den Weibern flüchten.“

Klassenbewusstsein

Die Herrenclubs des einstigen Weltreiches stehen dicht beieinander und doch streng gesondert. So verzeichnet das Who is Who bei jeder Nennung auch die Clubzugehörigkeit. Um sich vor gemeinem Volk abzuschirmen, trägt kein Club verräterische Hinweistafeln. Dafür gleichen manche Häuser Renaissancepalästen. Über dem Säulenportal (1829) des Atheneum mit seiner blau-weißen Kopie des Parthenonfrieses, quasi als Stirnband, schwebt die vergoldete Pallas Athene. Der Reform Club ähnelt dem Palazzo Farnese. Doch im größten dieser Paläste haust ein Club, der auf eigene Art Tradition mit Fortschritt verbindet. 1881 von blaublütigen Autofans gegründet, als motorisierte Fahrzeuge noch eine Rarität waren, hat der Royal Automobil Club einen Präsidenten aus dem Königshaus. Im Salon raucht man unter der Stuckdecke der einstigen Admiralität, die Stück für Stück transferiert wurde. Der Club hat ein Hallenbad im Jugendstil, ein türkisches Bad, modernste Fitnessräume und drei Restaurants, deren teuerstes zu den besten in London zählt.

Ihren Ursprung nahmen Londons Clubs aber als Spielhöllen für Reiche, die ungestört ein Vermögen verlieren, sich unter Gleichen besaufen oder den Magen verderben wollten. Daher resultiert manch seltsamer Name: Mr Boodle und Mr Brooks, Gründer der ersten Etablissements, waren Unternehmer. Mit dem Aufkommen von Parteien wurde Brooks´ dann zur Hochburg der Whigs, Carlton und White´s zum Tory-Treff und Boodle´s zum Stadtrefugium des Landadels. Lange Zeit galten die Clubs als Dependance von Whitehall: hier palaverten die Parteispitzen mit ihren Hintermännern, spielten, tranken und tafelten.