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Heaten

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Was sagt uns ...

... Heathen?

„Heide, Ungläubiger.“ Tatsächlich besitzt Hampsteads Heide starke heidnische Traumlinien. Ende Sep versammeln sich hier Druiden des Bardenordens in authentischen Kostümen, um Tagundnachtgleiche zu feiern. Zur Prozession mit König Artus´ Schwert streuen sie Früchte auf den Boden und beschwören den Frieden. Frühmittelalterliche Quellen belegen auch, dass in zwei bathing ponds nackt gebadet wurde. Ob es dabei unfromm zuging, ist nicht überliefert.

Kenwood House Hampstead Lane, NW3, T. 8348 1268. www.english-heritage.org.uk. Bus 210 ab U Archway (Zone 2/3). Haus tgl. 10-17h (Nov-März -16h); Gärten 8-20.30h (-16.30h). Eintritt frei. Führung 5,50/4 €, Kind (5-16) 2,50 €. Audioguide 6/3 €.

Unbedingt sehenswert

Kunst. Als die Mansfield-Familie Kenwood House 1924 verkaufen wollte, drohte es in die Hände von Immobilien-Haien zu fallen, bis Edward Guinness, seines Zeichens Bierbrauer und Earl of Iveagh, es erwarb und mit seiner Kunstsammlung adelte. Gainsborough, van Dyck, Hals, Lely, Reynolds, Rubens, Turner, Rembrandts Selbstporträt oder Vermeers Gitarrenspieler – nicht viele Galerien können bei alten Meistern besser besetzt sein. Bei seinem Tod 1927 vermachte Guinness das Anwesen der Nation.

Brew House. In der alten Hausbrauerei mit Gartencafé gibt es tgl. lunch, snacks, afternoon tea. Stadtweit fast unschlagbar ist aber sein breakfast.
Lakeside Concerts. Am See vor Kenwood House steigen im Juli/Aug an jedem Sa 19.30h Pop- oder Klassik-Konzerte (T. 7413 1443. www.picnicconcerts.com. Karten 30-50/27-45 €. Freier Pendelbus ab U Golders Green und U East Finchley). Gäste sitzen zwischen Henry Moores Skulpturen auf dem Rasen, nippen am gekühlten Weißwein und lauschen bekömmlichen Tönen in herrlicher Heide: Programm 2005 u.a. mit Costello, Katie Melua, Ibrahim Ferrer und Opern-Gala. Wenn zum Abschluss dann die Feuerwerker loslegen, könnte die Szenerie glatt aus Peter Greenaways Kontrakt des Zeichners stammen.

Freud Museum 20 Maresfield Gardens, NW3, T. 7435 2002. www.freud.org.uk. 200m östl. von Bhf/U Finchley Rd (Zone 2), ausgeschildert. Mi-So 12-17h. Eintritt 7,50/3 €, Kind (0-12) frei.

Das Haus in einer schattigen Nebenstraße der Finchley Rd blieb nahezu unverändert so, wie Sigmund Freud (1856-1939) es im Juni 1938 mit seiner Tochter, der Kinderpsychologin Anna Freud, eingerichtet hatte. Mühsam versuchte der 82-Jährige, nach der überstürzten Flucht vor den Nazis sein Wiener Leben im Maßstab 1:1 auf Hampstead zu übertragen. Mit dem ungewohnten Umfeld wurde er aber nie warm und starb schon 15 Monate nach dem Einzug.

Die Couch! Zwischen Freuds Büchern (viel Mytho- und Archäologie), griechischen Kunstwerken, asiatischen Miniaturen und ungerauchten Zigarren steht auch jene Couch, auf die so viele Hysterikerinnen drängten, dass Dr. Rauschebart – damals noch in Wien – nicht anders konnte, als ein Gerüst der Psychoanalyse zu entwerfen. Bis zu seinem Tod am 23. Sep 1939, drei Wochen nach Weltkriegsbeginn, empfing Freud noch Patienten. Danach bewohnte Anna Freud das Haus, und nach ihrem Tod 1982 wurde es getreu ihrem Wunsch zum Museum. Die Erläuterungen dürfen gerne zahl- und hilfreicher sein.

Als eines der wenigen Gebäude in London trägt das Freud-Haus zwei Blaue Tafeln, eine für Sigmund, eine für Anna. Beide Tafeln wurden im Sommer 2002 enthüllt – von Monty-Python-Kopf John Cleese.

Orthodoxe Juden: Zwangsgebilde, Wahnventile

55 Jahre nach Freuds Tod machten Hampstead und Golders Green schräge Schlagzeilen. In beiden Bezirken lebt eine starke jüdische Bevölkerung, darunter viele orthodoxe Juden, die aber in der Minderheit sind. Letztere wünschten im Sep 1994, dass ein Riesengebiet um acht Synagogen symbolisch als eruw ausgewiesen werde.

Eruw ist eine „private“ Zone, in der die Sabbat-Regeln gelockert werden können. Darin dürfen orthodoxe Juden auch außerhalb der eigenen vier Wände Gegenstände mitführen, Kinderwagen schieben oder Rollstühle nutzen. Begrenzt würde dieser eruw von Häusern, Gleisen und Straßen. Gar so symbolisch war die Abgrenzung jedoch nicht: 85 Pfosten à 7m (!) Höhe sollten einen Grenzdraht tragen und damit die Lücken schließen.

Zweimal wurde der eruw-Antrag von der Planungsbehörde Barnet abgelehnt, dann setzte ihn Städtebauminister John Gummer per Erlass durch, da keine Gefahr für das Erscheinungsbild der betreffenden Viertel drohe. 15 qkm von London wurden also ghettomäßig abgetrennt, damit eine Minderheit ihre eigenen Regeln außer Kraft setzen kann. Mit anderen Worten: wird der Leidensdruck des religiösen Wahns zu groß, muss ein Ventil her, das auch alle nicht-orthodoxen Juden und andere Londoner betrifft.

Die Sache erinnert an das (selbst auferlegte) Fleischverbot der Christen am Freitag, wenn Fisch flugs zum Nicht-Fleisch mutiert. Ist er dann Gemüse? Obst? Hauptsache, der Hungrige muss weder seine Religion noch seinen Bauch verraten.