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Walbrook

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Der Walbrook

Londons verlorene Bäche

Am Bach entlang

An dieser Stelle soll der vielen Bäche gedacht werden, die heute überdacht, als Abwasserkanal missbraucht oder gänzlich verschwunden sind. Stellvertretend für Tyburn, Wandle, Fleet, Cranbourne, Westbourne, Shoreditch, Effra oder Neckinger wollen wir den Walbrook von der Quelle bis zur Themse verfolgen: ein Stück Stadtgeschichte für den zweiten Blick.

Der Walbrook (brook = Bach) speist sich aus mehreren Quellen, die an der Römermauer zusammenlaufen und beim Bhf Cannon St in die Themse münden. Der westl. Arm nimmt in Islington seinen Anfang, wo er ein Bleiwerk antrieb, fließt unter City Rd Turnpike (bis 1860 offen) und Finsbury Pavement, bis er an der London Wall durch ein Gewölbetor mit Eisengatter in die Stadt tritt.

Der östl. Arm beginnt in Hoxton unter Hackney Rd und Curtain Rd. Dann geht´s parallel zum Broad St-Gleis weiter, unter dem Ex-Friedhof des Bethlehem Hospitals (heute Parkplatz) und der Liverpool St, wo er durch eine Öffnung der London Wall in einen Abwasserkanal tritt. Der Chronist John Stowe notierte 1598:

Gegenüber Finsbury Chambers wurde in einer Tiefe von 19 Fuß ein unterirdischer Aquädukt aufgedeckt. Am Ende war ein Gitter im Mauerwerk verankert, um zu verhindern, dass Unkraut und Bodensatz den Weg des Wassers verengen. Der bogenförmige Einfluss, dreieinhalb Fuß weit, hatte einst oberirdisch gelegen, denn es hing noch eine Menge Moos am Mauerwerk.

Offenbar reichten beide Kanäle nicht aus, um das ganze Wasser des Walbrook aufzunehmen. Er überflutete nicht nur den Stadtgraben, sondern auch die Moorfields, wo dann Londons Jugend im Winter Schlittschuh lief. Während der normannischen Eroberung ein „lieblicher Trinkwasserbach“, war er um 1300 nur noch eine stinkende Kloake, deren Unterlauf gedeckelt wurde. Doch immerhin, er teilte die City nach der London Wall in zwei Hälften, was laut John Stowe „bis heute beachtet wird.“ So legte die mittelalterliche Ratsordnung fest:

According to the ancient usage of the City of London, is wont to be that 18 men must be chosen from the east side of the Walebrook and 18 men from the west side.

Hinter der London Wall treffen sich beide Arme unter der Draper´s Hall. Nun strömt der Bach unter Angel Court hindurch, wo einst die Gerbereien standen, unter St Margaret Lothbury, die sich auf Gewölben erhebt, und zur Bank of England, bei deren Fundamenten man 1803 noch Wasser rinnen sah. Von dort geht´s im Bogen unter Poultry nach Bucklersbury. Zu Römerzeiten war dies der äußerste schiffbare Punkt der Themse, also legten sie hier ihren Hafen an und errichteten den Mithrastempel, der heute 400m vom Fluss entfernt liegt!

Nach Bucklersbury strömt der Bach an St Stephen Walbrook vorbei, unter der Cannon St, wo man ihn noch an einer Wellung des Pflasters erahnt. Die Deckelung von Mittel- und Unterlauf, 1463 auf Königserlass begonnen, dauerte 90 Jahre. Am Dowgate Hill lag er zu Stowes Zeiten aber noch offen und führte soviel Wasser, dass tödliche Unfälle vorkamen, etwa im Juni 1574:

A lad of 18 years, minding to have leapt over the channel, was borne down that narrow stream towards the Thames with such violent swiftness as no man could rescue him, till he came against a cart wheel that stood in the watergate, before which he was drowned and stark dead.

Nach dem Dowgate-Pumpwerk mündet der Walbrook in die Themse. Wer auf der Pubterrasse des Bouncing Bowler am Bhf Cannon St sitzt, kann nach Regengüssen noch seine Überreste aus einem Abwasserkanal strömen sehen – ein Schatten seiner selbst, im Vergleich zu Ben Jonsons Dowgate torrents falling into the Thames.