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Börse

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Sir John Gresham

Wie London auf die Börse kam

Eingezwängt zwischen Hochhäusern, steht nördl. von Lloyd´s das Kirchlein St Helen´s Bishopgate . Darin ruht Sir John Gresham (1515-91), den Mark Twain in Der Prinz und der Bettelknabe verewigt hat.

Zuerst vollbringt Gresham das Kunststück, unter Heinrich VIII. prominent zu sein und dennoch seinen Kopf zu behalten. Dann dient er Maria Stuart, der Tante Philipps II. von Spanien, ebenso als Finanzberater wie ihrer Gegenspielerin Elisabeth I., die erst das Liebeswerben von besagtem Philipp abwehrt und ihm dann 1588 durch die Aufreibung seiner Schiffs-Armada eine vernichtende Niederlage bereitet. (Dass dies einem Unwetter zuzuschreiben war, verschweigen die meisten Chroniken.)

Marketing

Zwischen diesen Verpflichtungen findet Gresham die Zeit, 1566 die Londoner Börse zu gründen, natürlich mit dem Wohlwollen weitsichtiger Stadtväter, die ihm gerne einen Bauplatz am Cornhill zur Verfügung stellen. Bis dahin wurden Geldgeschäfte wie in der Bibel abgewickelt: im Tempel nämlich, der Paulskathedrale. Schon nach einem halben Jahr ist Richtfest. Der Renaissancepalast besitzt einen großen Hof, Laubengänge im Parterre und Geschäfte in oberen Etagen. Mit Geld und guten Worten lockt Gresham die Kaufleute, ihre Waren hier feilzubieten. Das ist neu für London, wo Handel in Straßen getrieben wird, die auf bestimmte Berufszweige spezialisiert sind. Für Gresham ist das Wagnis groß, zumal er die Königin einlädt, die Börse zu eröffnen. Doch es gelingt ihm, zögernde Kaufleute mit modernem Marketing zu ködern: sie genießen ein Jahr Mietfreiheit, wenn sie ihre Waren ausstellen und geloben, die Gewölbe zum Besuch der Königin mit Wachskerzen zu erleuchten.

Es wird ein voller Erfolg. Elisabeth speist in Greshams Haus am Bishopsgate zu Mittag (noch ein guter Trick), besichtigt die Börse und zeigt sich begeistert. Neben Tower und Kathedrale hat London ein neues Epizentrum, von dem fortan wichtige Anstöße für seine Entwicklung ausgehen.

Niederlande. Größter Geschäftspartner in dieser Zeit sind die Niederlande, eine bürgerlich entwickelte, handeltreibende Gesellschaft, die dem Protestantismus anhängt und 1566 gerade einen Befreiungskrieg gegen Spanien begonnen hat. Erst im Westfälischen Frieden 1648 werden sie als Republik anerkannt und scheiden aus dem Deutschen Reich aus, wobei ihr Land in Belgien und die heutigen Niederlande zerfällt. (Jahrhundertelang dem Deutschen Reich angehört zu haben, ist also kein Garant für wechselseitige Zuneigung.)

Karl I. von Spanien (1500-58, als deutscher Kaiser: Karl V.) herrscht seit 1519 mit den Kolonien in Amerika, Afrika, Indien über ein Reich, in dem die Sonne niemals untergeht. Auf der Flucht vor seiner Inquisition haben sich viele Juden in Antwerpen niedergelassen, dessen Börse Gresham nun als Vorbild dient. Als Antwerpen 1580 an die Spanier fällt, ziehen viele Juden nach London weiter und tragen hier zur wirtschaftlichen Blüte bei. Die Sperrung der Schelde schaltet die Konkurrenz vollends aus. Gresham nutzt diese Konstellation, um London zur Nachfolgerin Antwerpens zu küren.

Trade Companies

Sobald Londons Börse installiert ist, schießen Neugründungen von Handelsgesellschaften empor, so der Merchant Adventurers, deren Name ahnen lässt, wie mit unliebsamer Konkurrenz umgegangen wird. Zugleich tun sich neue Handelswege auf. Zwar führt die Suche nach einer Nordostpassage nicht nach China, aber man „entdeckt“ das Reich Iwans des Schrecklichen und gründet die Moscovy Company für den Handel mit Russland. 1600 folgt die Ostindiengesellschaft, die Indien den englischen Kaufleuten und später der Kolonisierung öffnet.

Die anhaltende Popularität der Tudors hängt eng mit Englands rasantem Wirtschaftsaufschwung im 16. Jh. zusammen. John Lyly behauptet bereits 1581, seine Vaterstadt dürfe sich „Speicher und Marktplatz für ganz Europa“ nennen. Greshams Werk ist also vorbildlich staatstragend.

Stock Exchange Threadneedle St, EC3. 150m nö von U Bank. Seit der IRA-Bombe 1992 nicht mehr zu besichtigen.

Londons Wertpapierbörse wurde 1773 eingerichtet. 1972 weihte die Königin den neuen, mit Elektronik vollgestopften Börsenpalast aus Glas und Beton ein; andere Frauen erhielten erst ein Jahr später Zutritt. Spekulanten heißen hier bulls, wenn sie bei Kursanstieg kaufen, oder bears, wenn sie mit fallenden Aktien spekulieren. Stags (Hirsche) sichern sich Aktien, bevor diese auf den Markt kommen. Eine stag party ist also kein Hirschrudel, sondern ein Herrenabend.

Dieses Großwild tobte sich auf dem Parkett der Stock Exchange aus, bis am 27. Okt 1987, dem Tag des big bang, betroffene Stille einkehrt. Damit war die Party beendet, Internet und Telefon ersetzen heute den persönlichen Handel. Krachen tut´s trotzdem noch, etwa Ende 2000, als die Große Aktienblase platzte und die City über 30.000 Jobs verlor. Inzwischen ist die Zuversicht an Londons Finanzmeile zurückgekehrt, allein im Jahr 2004 entstanden rund 8000 neue Stellen. Und der nächste Knall? Kommt bestimmt.

Mansion House Walbrook, EC4, T. 7626 2500. www.corpoflondon.gov.uk. 10m südl. von U Bank. Eintritt nur mit Gruppenführung (15-40 Personen), nach schriftlicher Anmeldung beim Principal Assistant, Mansion House, EC4N 8BH.

Im Herrensitz mit Portikus, den George Dance 1739-53 an die sternförmige Bank-Kreuzung zwischen Walbrook und King William St pflanzte, wohnt der Lord Mayor während seiner einjährigen Amtszeit. Dies ist Albions einziges Privathaus mit eigenem Gerichtshof – und elf Gefängniszellen. Sein Name dient als Paradebeispiel für einen doppelt gemoppelten Pleonasmus: mansion = nobles Wohnhaus.

St Stephen Walbrook 39 Walbrook, EC3, T. 7283 4444. 150m südl. von U Bank. Mo-Do 10-16h, Fr 9-16h. Eintritt frei.

Nachdem die gotische Vorgängerin dem Großen Feuer zum Opfer gefallen war, setzte Wren 1672-79 dieses „smaller masterpiece“ (Außentafel) hinter das Mansion House. Erst 1992 wurden die letzten Schäden beseitigt, die der blitz geschlagen hatte.

Bei fast quadratischem Grundriss überrascht der harmonische Innenraum nun mit lichten Fenstern und cremefarbenen Wänden. Die zentrale, von korinthischen Säulen getragene Rundkuppel diente Wren auch als Testlauf für St Paul´s. Kanzel, Taufbecken, Beichtstühle und Orgel sind aus schwarzem Holz gearbeitet, den kreisrunden Altarblock aus grauem Travertin, ein Werk Henry Moores, beschimpfen Traditionalisten als camembert.
Musik. Mangels Empore steht der Orgeltisch im Kirchenraum, so dass man dem Organisten auf die Finger schauen kann (Konzerte jeden Fr 12.30h, frei).

Temple of Mithras 11 Queen Victoria St, vor der Sumitomo Bank, EC3. 300m sw von U Bank. Frei sichtbar.

Vor dem Temple Court liegen Reste des Mithrastempels (von Römern erbaut um 240), auf den Tiefbauarbeiter 1954 knapp 6m unter der Queen Victoria St stießen. Außer ein paar Grundsteinen ist aber wenig zu sehen, da jedes Fundstück penibel abgetragen und ins Museum of London geschafft wurde. Immerhin verrät das Fundament mit abgerundeter Apsis, Hauptschiff und Seitenschiffen, wie stark römische Vorbilder den späteren Kirchenbau prägten.

Im 3. Jh. buhlten Mithraismus und Christentum noch auf gleicher Augenhöhe um die Gunst der Londoner. Doch der persische Lichtgott Mithras (Kultbild: Stier), ein echter Macho, war nur bei den römischen Truppen populär. Als sie 410 abzogen, hob der christliche Siegeszug an.