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Hieroglyphen

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Stein von Rosette

Wie liest man Hieroglyphen?

Groß wie eine Tischplatte, feinkörnig und hammerhart, zeigt der Stein aus schwarzem Basalt drei Inschriften. Sie sind teils verwittert, auch verwischt durch den Sand, der 2000 Jahre lang darüber rieb, doch gut zu erkennen. Von diesen Inschriften ist die erste (14 Linien) hieroglyphisch, die zweite (22 Linien) demotisch, die dritte (54 Linien) aber altgriechisch. Also lesbar! Sogleich versetzt der Stein, den Napoleons Soldaten 1799 im Nildelta finden und gemäß des Vertrags von Alexandria den Briten abliefern, die Welt der Archäologie in helle Aufregung.

Der Inhalt der Inschrift ist belanglos: Ptolemäus V. preist 196 v. Chr. die Priesterschaft von Memphis „für empfangene Wohltaten“. Doch mit Hilfe des Steins könnte man nach 2000 Jahren endlich altägyptische Hieroglyphen entschlüsseln. Hinz & Kunz versuchen sich daran, erst der Ägyptologie-Autodidakt Jean-Francois Champollion (1790-1832) aus der Dauphiné setzt 1822, nach 13 Jahren Arbeit, den rechten Hebel an. Alle Gelehrten halten die Hieroglyphen für eine Bilderschrift, bis Champollion erkennt, dass es sich um Silben bzw. Buchstaben handelt. Zu Hilfe kommt dem bitterarmen Querdenker, der elf Sprachen beherrscht, auch seine Kenntnis des Koptischen in Ober-Ägypten, das bis heute viel Verwandtschaft mit Altägyptisch aufweist.

Ausführlich nimmt sich dieses Falles der „Archäologie-Roman“ Götter, Gräber und Gelehrte (1949) von C. W. Ceram an – ideal zur Vor- oder Nachbereitung eines BM-Besuchs.

Saal 27, am Fuße des östl. Treppenhauses: Mexiko. Für die Maske von Tzcatlipoca wurde ein türkisenes Mosaik über einen echten Totenschädel gezogen.

Saal 33: Fernost. Die Asiensammlung ist so willkürlich über das BM verstreut, dass Interessierte am besten Joggingschuhe mitbringen. Viele Highlights bietet aber dieser Saal, die ideale Ergänzung zum entsprechenden V&A-Bestand, wenn keine 7 km dazwischen lägen. Links koloniale „Mitbringsel“ aus Indien und Indochina, rechts aus China uraltes Porzellan (heißt ja china auf englisch), Vasen der Ming-Dynastie (1381-1644) und ein Bodhisattva-Kopf in Trockenlack (um 650). Dazu in Saal 33a die Stupa von Amaravati (250 v. Chr.): unglaubliche Skulpturen, würdige Buddhas, tanzende Shivas, Hunderte von Szenen aus dem prallen Leben.

Saal 37-49: Britannien seit prähistorischer Zeit.

Saal 37: Stein-/Bronzezeit. Das älteste menschliche Skelett kommt samt Weihegeschenk aus Barnack (2100 v. Chr.), während die Kreidezylinderchen aus Folkton partout nicht preisgeben, wofür sie gedacht waren.

Saal 39: Eisenzeit (350-150 v. Chr.). Der Battersea-Schild wurde nahe jener Brücke aus der Themse gefischt, deren Name er trägt – das feinste Exemplar früher keltischer Kunst in England.

Saal 41: Sutton Hoo. Das Hochmittelalter wird durch Funde aus der größten bekannten Schatzkammer auf britischem Boden gekrönt. 1939 wurde bei Woodbridge in Suffolk ein hölzernes Grabschiff (um 620) für einen sächsischen König ausgegraben. Es enthielt Stickereien, verzierte Geldbeutel, Rüstungen und den Prachthelm des Königs, vieles vergoldet und mit Bronzeplaketten und Silberfäden geschmückt.

Saal 42: Um 1150 verlor ein Wikinger seinen Satz Schachfiguren aus Walross-Stoßzähnen. 67 (!) Teile davon wurden 1831 in Sandbänken vor der Isle of Lewis gefunden. Der ehrliche Besitzer kann sie hier abholen.

Saal 48: Britannien unter den Römern. Den hohen Stand der Silberschmiedekunst dieser Zeit belegen das 28-teilige Service von Mildenhall (4. Jh.) und die keltischen Ketten von Snettisham. Der Schatz von Hoxne umfasst mehr römische Münzen als irgendein anderer im Lande.
Saal 49: Lindow Man. Zwischen keltischer Kunst der Eisenzeit liegt hier Britanniens Ötzi, more o´ less.

Lindow Man: Womit hat er das verdient?

Der Mann war etwa 25, als ihm vor 2300 Jahren eine Axt die Schädeldecke durchschlug, bevor er erwürgt wurde. Dann wurde ihm die Kehle durchtrennt. Ein rituelles Menschenopfer? Ein Moor in Cheshire konservierte die fast ledernen Überreste des Kelten, bis ihn 1984 eine Torfschneidemaschine in zwei Hälften teilte und Helfer ihn bargen. Glück sieht anders aus.

Saal 51-52 (zweite Etage): Persien. Den goldlastigen Schatz von Oxus (600-300 v. Chr.), vermutlich aus Persepolis, erwarben englische Kolonialherren auf einem Basar in Pakistan aus den Händen von Banditen.

Saal 55-56: Mesopotamien. Die Wiege der Menschheit steuert viel aus dem Reich von Nebukadnezar und schöne Bronzen aus dem Tempel von Ninhursag bei. Unzählige Spuren stammen von den rätselhaften Sumerern (3200-2230 v. Chr.), die als Erste Südbabylonien besiedelten und die Keilschrift erfanden. Auf die Chaldäer geht der Schatz von Ur (2600 v. Chr.) zurück, u.a. mit dem Modell einer neugierigen Ziege, die sich auf die Hinterbeine stellt, um zwischen vergoldeten Blättern durchzulinsen – eines der ältesten Objekte im BM.

Saal 60-66: Ägypten, Ergänzung zu Saal 25.
Saal 60/61: Mumien. Diese Sarkophage und Mumien zählen zu den berühmtesten rechts von Kairo. (Falls wieder ein Nachfolgefilm des Hollywoodgrusels Die Mumie läuft, sind diese Säle nur nachmittags genießbar.) Dank Radiographie kennt man nicht nur Alter und Geschlecht der Insassen, sondern auch ihre medizinischen Probleme. In Eckvitrinen liegen etliche Tiermumien: Katzen, Fische, Mäuse, Schakal, sogar ein Regenwurm.

Saal 63: Alltag der einfachen Bevölkerung. Kleidung, Sandalen, Korbwaren, Musikinstrumente, Möbel (um 1250 v. Chr.!), Geschirr, Werkzeug, Waffen und eine kuriose Sammlung von Kopfstützen.

Saal 64: Die ältesten Funde aus Ägypten. Amphoren, Werkzeug und Überreste eines Mannes um 3400 v. Chr.

Saal 66: Das koptische Ägypten. Wandteppiche, Ikonen, schöner Sarkophag in rot-gold. Artemidorus´ Mumie (2. Jh. v. Chr.) verbindet bereits Schmuck im Pharaonenstil mit griechischer Inschrift und römischer Malerei.

Saal 69-73: Griechische oder römische Funde aus Süditalien. Die blaue-weiße Portlandvase (70 v. Chr.; Saal 70) war ein raffiniertes Juwel aus Italiens ältester Glaserei, bis ihr 1845 ein Besucher zu nahe kam. Sie barst in 200 Stücke, die auf seine Kosten mühsam wieder zusammengefügt wurden.

Saal 90: Sonderausstellungen. Zuletzt gab es je vier Monate lang Schätze des Sudan; Das Innenleben der Mumien (Eintritt je 10/5 €, Kind (0-11) frei); und Photos aus dem Vietnamkrieg 1965-75 (frei) zu sehen.

Saal 92-94: Schöne japanische Galerie, unterhalb davon koreanische Kunst.
Great Court. Zum Millenium stülpte Norman Foster dem riesigen Innenhof ein spektakuläres Glasdach über und machte ihn erstmals seit 1857 dem Publikum zugänglich. Fast 150 Jahre lang war er mit Bücherschuppen verstellt gewesen, nach dem Umbau für 170 Millionen € stehen jetzt 8000 Quadratmeter zum trockenen Flanieren unter stürmisch dräuenden Wolken bereit. Endlich können die verschiedenen Abteilungen direkt vom Innenhof her aufgesucht werden. Führungen siehe oben.

Mitten unter dem Glasdach steht der restaurierte Reading Room (Sa-Mi 10-19.30h, Fr/Sa -20.30h), zu dessen Nutzern schon Mahatma Gandhi, George Bernard Shaw und Karl Marx gehörten. In der Joseph Hotung Gallery am nördl. Ende ist die afrikanische Kunstsammlung untergebracht. Im März 2001 holten die Sainsbury African Galleries nach 30-jähriger Abwesenheit auch Völkerkunde ins BM zurück. Seit 2003 grüßt die Wellcome Gallery of Ethnography Besucher mit einer Statue von den Osterinseln und Mitbringseln von Captain Cooks Reisen. 2004 eröffnete die runderneuerte King´s Library mit der Dauerausstellung „Die Neu-Erfindung der Welt im 18. Jh.“ Weitere Ergänzungen für den Great Court sind in der Mache.

Pause

Das Great Court Restaurant serviert unter 3312 mit grünlichem Sonnenfilter bedeckten Glasdreiecken moderne britische Kost, garniert mit schwarz-weißem Genüchter à la Conran. Man sitzt wie in der Mensa der Uni Trier, nur mit Damasttischdecke und etwas (aber nicht viel) bequemeren Stühlen. Die Cafeteria des BM merke sich vor, wer ein Faible für zellophanverpackte Schwabbel-Sandwiches hat.

Für den Rest der Menschheit liegt die Rettung nah. Die Museum St, südl. vom Haupteingang, steckt voll preiswerter Cafés (meist Mo-Fr 12-19h, Sa/So 10-19h). Zu loben sind das Museum Street Café (No 47; Nudelbar 4-8 €) und die rauchfreie Coffee Gallery (No 23; Pasta 7 €, Salate 4-6 €, afternoon tea 6 €). Die würdige Pub-Ergänzung dazu liefert die Museum Tavern (No 49; siehe Pubs).