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Tee

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Afternoon Tea

Tee: Die trübe Stütze des Empires

Der Nachmittagstee ist ein Grundpfeiler britischer Kultur, mehr nicht. Samuel Pepys notierte 1660, er habe erstmals „Tee (ein chinesisches Getränk)“ probiert – ohne erkennbare Begeisterung. Die setzte erst ein, als um 1700 billiger Zucker aus der Karibik nach GB herüber schwappte, mitten in die Tassen des bitteren Gebräus. Anno 1713 setzte die East India Company, die ein Monopol auf alle Einfuhren aus dem Osten innehatte, noch 97 Tonnen Tee um. Hundert Jahre später waren es bereits 14.500 Tonnen. Da in diesem Zeitraum durchschnittlich ein Drittel aller Abgeordneten im Parlament Anteile an der East India Company besaß, war der Siegeszug der getrockneten Blätter nicht mehr aufzuhalten. Um 1840 hatte es die kollektive Teestunde in London bereits zum fashionable event geschafft.

Erst in jüngster Zeit begann der Niedergang der Teekultur. Laut einer Marktforschungsstudie ging der Tee-Verkauf zwischen 2000 und 2005 um zwölf Prozent zurück; vor allem junge Menschen trinken heute lieber Kaffee, Säfte oder Mineralwasser – und wenn schon Tee, dann eher grünen oder Früchtetee als den traditionellen Earl Grey mit Milch und Zucker. Noch ist Albion aber nicht verloren: Mit 2,9 Tassen Tee täglich sind seine Einwohner immer noch unumstrittene Weltmeister in dieser Disziplin.

Auch wenn der soziale Druck, sich Tag für Tag am Tässchen blicken zu lassen, dahin ist, befol-gen doch viele Londoner das öffentliche Ritual noch zu besonderen Anlässen. Entsprechend bittet jedes Nobel-hotel tgl. zum afternoon tea. Auf www.gofortea.com wird verraten, wann er wo ansteht, wie viel der Spaß zwischen Tradition und Luxus kostet und (wichtig!) welche Kleidervorschriften bestehen. Reservieren Sie so früh wie möglich.

Jede Tee-Session wird begleitet von exquisiten Sandwiches und mächtigen Desserts. Zur Sen-sa-tion des Nachmittags mausert sich dabei der Devon cream tea, eine Kalorienbombe aus besagter Grafschaft. Reichlich Tee gibt es dabei auch, wichtiger sind aber die scones, Rosinenbrötchen mit viel Sahne, Butter und Marmelade. Danach kann jeder glatt aufs Abendessen verzichten.

Jahrtausendelang war Tee im Fernen Osten eine edle Sache, bis die Briten kamen, ihr Gebräu mit Milch und Zucker kreierten und in der Welt verbreiteten. Eine cup of tea (Umgangssprache: a cuppa char) trinken echte Briten übrigens fifty-fifty: halb Tee, halb Milch. Snobs erkennt man daran, dass sie ihre Tasse zuerst mit Tee füllen. Diese Sitte entstand als Affront gegen Haus-frauen, die Erst-Milch-Gießer mehr schätzen, weil der Tee sich dann nicht als brauner Rand an der Tasse absetzt.

Hohe Tempel des Nachmittagstees

Mit 18-55 € pro Person für einen feschen afternoon tea darf man bei folgenden Adressen rech-nen. Preisangaben ohne/mit Sekt, der hier champagne heißt.

The Cadogan, 75 Sloane St, SW1, T. 7235 7141. www.cadogan.com. U Sloane Square. Olde Worlde-Stil mit Sandwiches, diversen Obstkuchen, scones und reichlich Tee, tgl. 15-17.30h schon für 18/30 €. Tee-Tipp unter den Nobelhotels.

Claridge´s, 55 Brook St, Mayfair, W1, T. 7409 6307. www.claridges.co.uk. U Bond St. Im vornehmen Jugendstil-Foyer mit 13 Teesorten aus aller Welt, tgl. 15-18h für 40/55 €.

Brown´s, 30 Albemarle St, W1, T. 7493 9381. www.brownshotel.com. U Green Park. Im Hotelfoyer mit Pianogeplätscher, tgl. 15-17.30h für 36/54 €.

Fortnum & Mason, 181 Piccadilly, W1, T. 7734 8040. U Picca-dilly Circus. In der vierten Etage des Kaufhauses, Mo-Sa 15-18h für 30-36/42-50 €.

The Ritz, 150 Piccadilly, W1, T. 7300 2306. www.theritzlondon.com. U Green Park. Sieben Teesorten, satte Vielfalt an tasty food, tgl. 13.30/15.30/17.30h für 48 €.

Tea at the Ritz. Einmal im Leben darf´s der Klassiker sein! Die 48 € für den Nachmittagstee plus das Geld für eine Krawatte sind der billigste legale Weg, der Welt berühmtestes Hotel und sein barockes Flair von innen zu erleben. Dafür gibt es Tangomusik, zwanglos zur Schau gestellten Luxus und Kuchen, die man sich kaum per Gabel zu attackieren traut. Für den tea reserviert man mind. sechs Wochen, für lunch (12-14.30h) oder dinner (18-23h) zwei Wochen vorher. Krawatten- bzw. Rockzwang, keine Jeans.

... und die Tee-Tipps

Wer in der Gegend ist, genehmige sich ein paar gepflegte Tässchen im Wallace Museum (Marylebone), Kenwood House (Hampstead) oder Fan Museum (Greenwich).

Passionierte Teetrinker schwören, dass der afternoon tea im Bramah Museum of Tea & Coffee (Southwark) jedes W1-Nobelhotel schlägt. Im Gegensatz zur strengen Kleiderordnung dort darf hier jeder tragen, was ihm gerade passt. Auch Vorbestellung oder festgelegte Zeiten sind kein Thema. Und weil´s so schön ist, bekommt man Kuchen, Sandwiches, scones und den hoch gelobten Tee schon für 13 € (inkl. teacakes 15 €). Vergleich mit dem Ritz gefällig?