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Küstenbebauung

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Bauen an Spaniens Küste

Bauwut und Baufreigabe durch Korruption

Zerstörung der spanischen Küste - Enteignung der Immobilienbesitzer

An Spaniens Küsten tobt die Bauwut, weshalb inzwischen bereits ein Drittel der Mittelmeerküste zubetoniert ist. Elf weitere Prozent werden in Kürze dies Schicksal teilen, denn die Baufreigaben sind bereits erteilt.

Binnen eines Jahres schossen in Spanien ungefähr 800 000 neue Wohnungen und Häuser aus dem Boden, was etwa der Summe der von Deutschland, Frankreich und Großbritannien entspricht. Werden neue Gebäude dort allerdings auf staatliche Vorgaben abgestimmt, bauen die Spanier überall, wo es ihnen gerade in den Kram passt. Das Bauwesen ist die bedeutendste Einnahmequelle der Gemeinden - wobei das Geld nicht nur der Gemeindekasse zugute kommt, sondern oft auch den (korrupten) Politikern.

Die Küste gehört offiziell bis zu dem Punkt, den die Wellen bei höchstem Seegang erreichen, dem Staat, ebenso wie die sechs folgenden Meter, die der Bevölkerung den Zugang ermöglichen. Die nächsten hundert Meter sind Schutzzone, offen für Sportanlagen, Parks oder landwirtschaftliche Flächen, nicht jedoch für Gebäude. Die Schutzzone untersteht der Gemeinde.

Doch wie die Küstenbebauung zeigt, so achtet nicht jede Kommune die staatlichen Vorgaben. Neue Gebäude bringen Geld, wobei man auch die Schmiergelder zur Baufreigabe berücksichtige, die die Sache zu einem einträglichen Geschäft machen. Inzwischen ist der Bau größte Einnahmequelle der Gemeinden. Man nehme nur Marbella an der Costa del Sol als Beispiel, wo die Bürgermeisterin und die Hälfte des örtlichen Parlaments ins Gefängnis wanderten. Der angebliche Kopf der Bande verdiente an illegal ausgestellten Baugenehmigungen wahrscheinlich über dreißig Millionen Euro.

Korruption und Baugenehmigungen treten in Spanien als Geschwister auf. Mal erteilen die Städte Genehmigungen ohne Beachtung der Raumordnungspläne (ganz abgesehen von Wasserversorgung oder Landschaftsschutz), mal drücken sie bei rechtswidrig gebauten Neubauten einfach beide Augen zu. Nach vier Jahren ohne Anzeigen werden illegale Gebäude legal.

Experten schlagen vor, illegale Bauten rigoros abzureißen. Doch ob die Regierung genug Mut (und Unbestechlichkeit) dazu aufbringt? Sie plant zur Rückeroberung von 776 Küstenkilometern fünf Milliarden Euro ein. Dabei werden keine Enteignungen angestrebt sondern Verhandlungen, denn ersteres könnte sich durch Gerichtsstreits lange hinziehen. Auf den Kanarischen Inseln trugen die Gespräche bereits Früchte, so z.B. durch eine Umsiedlung der Einwohner, die zu nah am Meer lebten. Ebenfalls in Planung: rund 780 km Küstenweg für Fußgänger und Fahrradfahrer.

So hehr das Ziel der spanischen Regierung, der Schutz des Strandes, auch sein mag, sorgt ihr willkürliches Vorgehen doch für Probleme. Es führt dazu, dass plötzlich dreihundert Meter Küstenlinie als Staatseigentum anerkannt werden, während es früher nur hundert waren. Wer damals rechtmäßig baute, ist heute ein "Verbrecher". Einen Beitrag zur Ungerechtigkeit leistet auch die Natur. Staatseigentum erstreckt sich schließlich bis zu dem Punkt, den die Wellen bei höchstem Seegang erreichen. Wie sieht die Sache jedoch aus, wenn die Wellen plötzlich eine Stelle erreichen, an die sie früher selbst bei Sturm nicht kamen? Und was ist mit San Sebastian, wo Meerwasser bis in die Innenstadt dringt?

Staatsbesitz sind neben allen Stränden auch alle Bereiche mit "Ablagerungen lockerer Materialien" (Geröll, Kies, Sand …). Gilt dies auch für bewachsene Sand- oder Kiesschichten, die vom Meer aus oft weit ins Landesinnere reichen? Bis zu wie vielen Zentimetern Dicke ist die Schicht Staatseigentum?

Doch das größte Problem ist wohl, dass die Behörden weniger gegen Riesenhotelketten und Großunternehmer vorgehen als gegen Besitzer kleiner Häuschen oder Appartements. Oft erwarben diese das Baugrundstück legal und bewegten sich auch beim Bau völlig im Rahmen des Gesetzes. Nun stehen zehntausende von ihnen in Gefahr, Haus oder Wohnung zu verlieren. Grundbucheinträge und einstige Rechtmäßigkeiten spielen dabei kaum eine Rolle; eine Entschädigung bekommen die Enteigneten nicht. Eigentumsrechte werden in Spanien offenbar kaum anerkannt, weshalb das Küstenamt auch die meisten Gerichtsstreits gewinnt.

Dabei ist die Bebauung nicht das einzige Problem der spanischen Küste, denn es kommt der Klimawandel hinzu, der das Mittelmeer steigen lässt. In vierzig Jahren werden fünfzehn spanische Küstenmeter überflutet sein.

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