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Feste & Feiertage

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Feste und Feiertage in Spanien

Feiern mit den Spaniern – bis vier Uhr morgens

Spanien eignet sich nicht für Zeitgenossen, die mit den Hühnern zu Bett gehen. Wer der Sonne wegen nach Spanien gereist ist, wird verwundert feststellen, dass hier das Lebens erst nachts so richtig in Schwung kommt. Manche Spanier scheinen mit offenen Augen zu schlafen. Das Nachtleben kennt in Europa nicht seinesgleichen, vielleicht nicht einmal in der ganzen Welt. Nach Sonnenuntergang gehören die belebten Straßen und Plätze den Nachschwärmern, die ganze Viertel bis morgens nicht zur Ruhe kommen lassen. Madrid beispielsweise zählt zu den wenigen Metropolen auf der Welt mit Staus um 4h morgens – an einem normalen Werktag, versteht sich.

Keine Ausrede ist in Spanien zu faul, um nicht als Anlaß für ein Fest herhalten zu können. Zunächst wäre da einmal, wie sollte es anders sein in einem katholischen Land, die Heerschar der Heiligen; geeignet sind aber auch Schnecken, Esel, Ernten, Stiere und Enten! Für jeden Geschmack und für jede Verrücktheit ist etwas dabei: die einen lassen sich während der Sanfermines in Pamplona von Stieren durch die Gassen hetzen (und auch zu Tode trampeln), die andern schlagen in Villaneuva de la Vera (Cáceres) einen bedauernswerten Esel windelweich, wieder andere tauchen in Bunol (Valencia) in Tomaten unter, auf Tenerifa stopfen sich die Karnevalsnarren mit Farben voll und in Obejo (Córdoba) wird zum Schwertertanz gebeten.

Bei 25.000 Festen pro Jahr ergibt sich ein Anlaß zum Feiern alle zwanzig Minuten! Die Mehrzahl davon fällt auch noch auf die Sommermonate, so dass schwerlich Langeweile aufkommen dürfte. Alle Nationalfeste, religiösen und volkstümlichen Zeremonien zusammengerechnet, haben die Spanier doppelt soviele freie Tage wie die Engländer und Holländer. Kein Wunder: Spanien hat eben keinen Napoleon oder Protestantismus gekannt, die fast alle schönen Festtage und Heiligen aus dem Kalender radiert haben.

Sämtliche Fiestas sind kirchlichen Ursprungs, jedenfalls drängt sich dieser Gedanke auf. Dabei gelang es dem in Spanien fest verankerten Katholizismus nur, heidnischen Festen, Gedenktagen und Riten ein christliches Mäntelchen überzustülpen und sich so bei der Bevölkerung beliebt zu machen. Lautete ein alter römischer Wahlspruch nicht: Für das Volk: Brot und Spiele«? Die Kirche konnte freilich nicht verhindern, dass manche Feiern ausarteten und die Sittenlosigkeit fröhliche Urständ feierte, was dann den Tadel des Klerus hervorrief.

Für den Soziologen Gil Calvo besteht die wirkliche Grundlage aller Feste und Feiertage in dem Umstand, dass nicht genug Arbeit für alle vorhanden war und ist. Seiner Meinung nach kompensierten die Spanier diesen Mangel an wirtschaftlicher Aktivität mit Feiern. Feste also als Antwort auf schwierige Lebensumstände, auf überbelegte Wohnungen, als Flucht vor der Realität oder schlicht als Lebensart?