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Greenwhich

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Pferderiesen in der Brauerei

Reifeprozess des Porters

Emsiges Treiben in Greenwich

Dort sind auch die ungeheuer großen, aber nur sechs Zoll tiefen Kühlschiffe oder Zisternen zum Abkühlen des Porters; wahre Seen, von denen man uns versicherte, sie würden fünf englische Acker Land bedecken; auch braucht der Porter nur sechs Stunden darin zu stehen, um kalt zu werden. Alles in dieser großen Anstalt trägt das Gepräge der höchsten Reinlichkeit und Ordnung und geht mit anscheinender Leichtigkeit vonstatten.

Täglich werden zur Verbesserung des schon so Vollkommenen neue Erfindungen gemacht; besonders ist man auf Ersparung der Feuerung bedacht, welche die drei großen Kessel, jeder zu fünfhundert Fuß, erfordern. Zweihundert Arbeiter werden täglich beschäftigt und achtzig ungeheuer große Pferde. Letztere sind vielleicht die größten Tiere ihrer Rasse, die es gibt; denn die Hufeisen eines derselben, welches krankheitshalber getötet werden mußte, wogen vierundzwanzig Pfund. Wahre Pferderiesen!

In einem Gebäude, hoch und groß wie eine Kirche, stehen neunundvierzig große Fässer, in welchen der Porter aufbewahrt wird, bis man ihn zum Gebrauch in kleinere abfüllt. Dadurch, dass er eine Zeitlang in so großer Masse beisammenbleibt, soll er vorzüglich verbessert werden. Wäre das Faß, welches Diogenes bewohnte, von solchem Kaliber gewesen, so konnte der Philosoph füglich an einem runden Tische zwölf Personen bewirten und noch ein artiges Boudoir für sich behalten. Das größte dieser Fässer hat oben eine Art Balkon, zu welchem eine Treppe führt, es ist siebenundzwanzig Fuß hoch und hält zweiundzwanzig Fuß im Diameter; von oben bis unten ist es mit eisernen, etwa vier Zoll voneinander entfernten Reifen beschlagen, unten gegen den Boden liegt Reif an Reif. Alle sind von starkem Eichenholz, mehrere enthalten dreitausendfünfhundert gewöhnliche Fässer; der Heidelberger Kollege (57) käme in dieser respektablen Gesellschaft um seinen Ruhm.

Als wir das Haus verließen, waren wir wie betrunken vom Geruche des Porters; man müßte in dieser Atmosphäre schon von der Luft leben können. Die darin beschäftigten Arbeiter sahen indessen gar nicht aus, als ob sie sich auf solche Experimente einließen.

Greenwich*

Mitten im Geräusche der in ewiger Arbeit emsig sich bewegenden City, an der Londoner Brücke, schifften wir uns auf einem der Boote ein, die, so wie die Fiaker in den Straßen, auf der Themse numeriert und unter polizeilicher Aufsicht dem Publikum zu Gebote stehen.

Diese Brücke, die älteste der drei, welche in London über die Themse führen, war schon seit einiger Zeit bestimmt abgebrochen zu werden, um einer auf einem einzigen Bogen ruhenden eisernen Platz zu machen. Wie die Brücke jetzt dastand, waren ihre Bogen viel zu eng für den mächtigen Strom, den sie beherrscht. Ungestüm drängt er sich wild brausend hindurch und verschlingt jährlich mehrere Opfer, welche die Verwegenheit, trotz der augenscheinlichen Gefahr hier durchzuschiffen, mit dem Leben bezahlen müssen.

Unabsehbar erstreckt sich in einer langen Reihe viele Meilen weit der Wald von Masten, durch den wir schifften. Der Strom wimmelt wie die befahrenste Landstraße von Barken und kleinen Fahrzeugen aller Art; eben ankommende oder abgehende große Schiffe bewegen sich majestätisch durch sie hin, von allen Seiten ertönt das Rufen des fröhlichen Schiffsvolks, Lebewohl und Willkommen schallen durcheinander; die mit Auf- und Abladen beschäftigten Arbeiter an den Schiffen, die Schiffswerften am Ufer, alles verkündigt hier den Markt der Welt.

Sowie wir uns von London entfernten, boten die Ufer des Stromes uns von beiden Seiten die mannigfaltigsten, lachendsten Aussichten. Endlich, fünf englische Meilen von der Stadt, breitete sich das Invalidenhospital von Greenwich(58) mit seiner schönen Terrasse und allen seinen reizenden Umgebungen prächtig und groß vor unseren Augen aus.

Diese Freistatt, welche die Nation dem vom Kampfe mit den wilden Elementen endlich ermüdeten Helden darbietet, ist mit Recht ihr Stolz; denn die Welt hat dessengleichen nicht. Eigentlich sind es vier voneinander ganz abgesondert liegende Gebäude, die aber, von der Wasserseite gesehen, wie ein einziger großer Palast sich ausnehmen, geziert mit Säulen, Balustraden und aller Pracht der neueren Architektur. Eine große Terrasse, die eine entzückende Aussicht nach London zu bietet, zieht sich davor hin bis an den Strom, zu welchem man auf breiten steinernen Treppen hinabsteigt. Hier bestieg Georg der Erste(59) zuerst das Land, über welches er herrschen sollte. Mit welchen Erwartungen mag er nach St. James gefahren sein, wenn er vom Hospital auf die Residenz der Könige schloß!

[Fußnote (57): Das »Große Fass« im Heidelberger Schloß]

[Fußnote (58): Greenwich Hospital 1694 gegründet, durch Christopher Wren fertiggestellt. Heute Marineschule.]

[Fußnote (59):Georg der Erste, Kurfürst von Hannover (1660-1727); war erster englischer König aus dem Hause von Hannover, welches mit dem Tod von Königin Victoria 1901 nicht existent wurde. Georg I. betrat am 29. September 1714 erstmals englischen Boden.]