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Oper

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Großartige Inszenierungen

Vergnügliche und langwierige Vorstellung

Vergnügungspark Vauxhall

Die berühmte Billington erschien als Calypso wenig zu ihrem Vorteile (39). Ihre reichlichen vierzig Jahre konnte man übersehen, wäre sie nur nicht so unerlaubt dick gewesen, wie wir noch nie eine weibliche Gestalt auf dem Theater erblickten, hätte sie sich nur bemüht, durch Spiel und Ausdruck Jugend und Gestalt zu ersetzen. Aber sie hielt es unter ihrer Würde, Schauspielerin zu sein; bewegungslos stand sie da und sang, und glaubte damit schon ein übriges getan zu haben. Die Engländer hielten sie für die erste Sängerin der Welt. Ihre Stimme war in der Tat rein, voll und besonders in der Höhe von großem Umfang, dabei kunstmäßig gebildet, aber Ausdruck und Vortrag fehlten ihr ganz. Wie es ihr vorgeschrieben war, so sang sie alles richtig hintereinander ab, gleich einem Uhrwerke; brachte hin und wieder Kadenzen und Triller an, wobei dem Zuhörer der Atem verging, und glaubte so die höchste Stufe der Kunst erreicht zu haben. So ein Triller von einer Viertelstunde, darüber geht dem Engländer kein Gesang der Welt.

Alle übrigen Sänger und Sängerinnen, größtenteils Italiener, waren fast noch weniger als mittelmäßig. Unter den schlechtesten als die schlechteste zeichnete sich die zweite Sängerin aus, und man sagte uns, die Direktion hätte sie bloß engagiert, weil ihr die Kleider ihrer Vorgängerin wie angegossen paßten.

Das Orchester war lobenswert, die Dekorationen recht hübsch, aber bei weitem nicht mit denen der anderen Theater in London zu vergleichen. Die ganze Anstalt schien uns mit einer Mesquinerie (40) betrieben, die sowohl der großen Summen, welche darauf verwendet werden, als des Publikums, das sich dort versammelt, unwürdig ist.

Sehr vergnügt sahen wir den Signore Telemaco endlich seinen Luftsprung machen und freuten uns auf das Ballett. Leider aber hatte auch dieses drei Akte und schien gar kein Ende nehmen zu wollen. Es war ein moralisches, sentimentales Wesen. Mlle. Parisot, L´Arborie, dessen Frau und noch einige, deren Namen uns nicht beifallen, waren vortrefflich. Die Haupttänzer sind es immer; denn man engagiert alljährlich ausgezeichnete Künstler aus Paris für die Saison um große Preise. Desto schlechter stechen aber die anderen Tänzer, noch mehr die Figuranten dagegen ab, sowohl in Hinsicht der Kunst als der Kleidung; nirgends eine Spur des Geistes, der uns im Pariser Ballett in eine andere Welt versetzt.

Nach ein Uhr kamen wir ermüdet, als hätten wir mitgetanzt, zu Hause an, um sieben Uhr waren wir schon hingefahren.

Vauxhall (41)*

Reizender, blendender, feenhafter läßt sich nichts denken als dieser, in einer kleinen Entfernung von London am Ufer der Themse gelegene Garten, besonders in sogenannten Galanächsten, wenn er zur Feier des Geburtstages irgend eines Mitglieds der königlichen Familie in doppelter Erleuchtung prangt. Gegen fünfzehntausend wohlgekleidete Männer und Frauen wandeln dann im Schimmer unzähliger Lampen auf diesem magischen Flecken Erde zwischen schönen Bäumen und blühenden Sträuchern im fröhlichsten Gedränge umher. Musik tönt durch die laue Sommernacht, alles atmet Lust und Vergnügen; es ist, als beträte man das Paradies der Mohammedaner. Nirgends sieht man herrlichere Gestalten als hier, wo die in allen Farben prangende sonnenhelle Beleuchtung jeden Reiz erhöht.

Gleich der Eintritt in diesen Zauberort überrascht und blendet. In der Mitte eines großen, ringsum mit schönen Bäumen umgebenen Platzes erhebt sich das Orchester hoch in die Luft. Aus tausendfarbigen Lampen zusammengesetzt, strahlt es blitzend gegen den dunklen nächtlichen Himmel wie ein aus Edelsteinen erbauter Feenpalast. Leicht und lustig steht das phantastische Gebäude da, und doch innerlich fest genug, um nahe an hundert Personen sicher zu tragen.

Hinter den ebenfalls erleuchteten Bäumen ziehen sich oben bedeckte Arkaden hin, unter welchen mehrere hundert kleine Bogen und Pavillons angebracht sind. Auch an diesen Arkaden reiht sich Lampe an Lampe; oben, unten, an den Seiten, überall funkelndes Licht und brennende Farbenpracht. Von diesem Platze aus laufen mehrere hell erleuchtete Alleen neben einigen dunklen. Letztere betritt die gute Gesellschaft nie. Transparente Gemälde endigen die erleuchteten Alleen; Säle mit Statuen, Transparenten, Blumen und kristallenen Girlanden geziert, bieten Schutz gegen Kälte, Wind und plötzlich einfallenden Regen. In einigen vom Orchester entlegenen Sälen spielen kleine Musikchöre.

[Fußnote (39): Elizabeth Billington (1768 -1818),begnadete Sängerin, Tochter eines deutschen Musikers namens Weichsel und einer Vokalistin. 1794-1801 verbrachte sie in Italien, kehrte dann bis 1809 zum Londoner Theater zurück.]

[Fußnote (40): Kleinlichkeit]

[Fußnote (41): der Vergnügungspark entstand um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Vauxhall, ursprünglich der Name eines Dorfes, heute ein Stadtteil von London, diente zu Glanzzeiten des Vergnügungsortes auch für ähnliche Anlagen in anderen Städten, so auch in Edinburgh, von dem Johanna berichtet.]