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Wohnungssuche

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Schöner wohnen?

Zimmer und WGs

Nachdem ich meine Stelle als Sprachassistent in England zugewiesen bekam, schickte mir die Schule ein Schreiben mit allen möglichen Informationen zur Vorbereitung meines Aufenthalts. Darin war unter anderem zu lesen: "Wir haben uns schon um eine Unterkunft für Sie gekümmert. Sie werden ein Zimmer bei einer Lehrerin mieten. Die wöchentliche Miete beträgt 85 Pfund." Hatte mich der erste Satz noch freudig gestimmt, so klappte mir beim zweiten die Kinnlade herunter. Ich war ja prinzipiell froh, wenn ich mich in der Eingewöhnungsphase nicht auch noch mit Zimmersuche herumplagen musste. Mir war auch bewusst, dass Wohnen im Vereinigten Königreich ein gutes Stück teurer war als auf dem Kontinent. Aber dieser Preis erschien mir doch ein bisschen unverhältnismäßig. Ich machte mir schon Gedanken, wie ich möglichst schnell und taktvoll in eine erschwinglichere Bleibe umsiedeln könnte.

Böse Überraschungen

Doch je länger ich in dem mir zugewiesenen Zimmer wohnte, desto mehr wurde mir bewusst, wie gut ich es eigentlich erwischt hatte. Zugegeben, die meisten anderen Sprachassistenten, die ich kannte, zahlten im Schnitt zehn bis fünfzehn Pfund weniger pro Woche. Doch dafür musste ich kaum Lebensmittel besorgen, da meine Vermieterin immer für mich mitkochte. Überhaupt verstand ich mich mit ihr hervorragend, was für das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter in England alles andere als selbstverständlich war. Überdies war das Haus, was ebenso ungewöhnlich ist, in sehr ordentlichem Zustand und gemütlich eingerichtet. Den meisten meiner Bekannten erging es da weniger gut. Hier ein paar Beispiele:

Meine beiden besten Freundinnen hatten eine große, zweistöckige Wohnung, mit eigener Küche, hellem Wohnzimmer – und einer Vermieterin, deren geistiger Zustand sich irgendwo zwischen Verfolgungswahn und Zwangsneurose bewegte. Sie wohnte ein Stockwerk unterhalb und musste jede freie Minute nutzen, um den beiden nachzuspionieren. Sie wusste, wer wann wo war, was sich gerade im Kühlschrank befand, durchstöberte Schubladen und schnüffelte sogar in ihrer Wäsche herum. Nachdem ich eine Zeit lang fast jeden Nachmittag bei den beiden vorbeischaute kam sie auf die Idee, ich solle ihr jetzt auch Miete zahlen, wo ich doch jeden Tag ihr Haus benutzte.

Eine andere Bekannte, die etwa eine Stunde entfernt wohnte, erklärte mir als ich sie besuchen kommen wollte etwas beschämt, sie könne mir leider keinen Schlafplatz anbieten. Ihr Bett und Schrank füllten das Zimmer leider schon komplett aus; und die Stockwerkduschen waren auch ohne Besuch schon ständig überlastet.

Viele andere Wohnungen befanden sich schlicht und ergreifend in grauenhaftem hygienischen Zustand. Von den Wänden blätterten die Tapeten ab, die Pilze im Bad ließen schon Stengel und Kappen erkennen, und die Küche hätte als Feuchtbiotop unter Naturschutz gestellt gehört.

Der englische Immobiliemarkt

Dass die Situation für Mieter in England alles andere als traumhaft ist, hat verschiedene Gründe.

Zum einen entspricht die Bauqualität im Allgemeinen einfach nicht deutschen Standards. Fensterbänke aus Marmor sind höchstens in Herrenhäusern denkbar, die Wände tatsächlich oft so dünn, dass man es auf der Straße noch hört, wenn drinnen jemand hustet. Auch ordentliche Isolierung stellt einen unerhörten Luxus dar. Im Winter, wenn der Wind durch die Ritzen der Fensterrahmen pfeift, wird einfach eine zusätzliche Decke herausgeholt und die Heizung nach oben geschraubt.

Gerade bei regelmäßig wechselnden Mietern stellt die Tatsache, dass diese bei Auszug nicht zum Renovieren verpflichtet sind, einen zusätzlichen Faktor dar, der den Verschleiß einer Wohnung rapide vorantreibt.

Doch dass für Zimmer in solchen Bruchbuden auch noch Mieten verlangt werden, zu denen man in vielen deutschen Städten eine große Altbauwohnung bekäme, ist vor allem Margaret Thatcher zu verdanken. Die eiserne Lady bewegte weite Teile der Mittleschicht durch Maßnahmen wie Steuervorteile bei Hypothekenverzinsung und Lockerung des Mieterschutzes zum Immobilienkauf. Wer irgendwie das Geld zusammen bekam, der investierte. Das alles ging und geht im Endeffekt zu großen Teilen auf Kosten der Mieter. Ob die Räumlichkeiten in bewohnbarem Zustand gehalten werden, wie lange man darin bleiben kann, wie viel Privatsphäre man hat, das alles hängt oft von der Willkür des Vermieters ab.

Dass viele Immobilienbesitzer heute selbst arm dran sind, steht auf einem anderen Blatt. Mit steigenden Hypothekenzinsen und abnehmender Unterstützung seitens der Regierung stecken viele von ihnen selbst in der Schuldenfalle, können aber aufgrund ihres Besitzes keine Leistungen vom Staat einfordern.

Leben im Studentenwohnheim

Auch für Studenten ist übrigens einiges anders als aus Deutschland gewohnt. Gibt es hierzulande oft ellenlange Wartelisten für heiß begehrte Plätze im Studentenwohnheim, so werden englische Hochschulanfänger oft sogar verpflichtet, ein Jahr "on campus" zu wohnen. Die Preise orientieren sich dabei häufig eher am oberen Ende des jeweiligen Mietspiegels. Durch intensives Partyleben sind diese Wohnungen auch nicht gerade als schlaffördernd zu bezeichnen.

Kein Wunder also, dass viele Studenten so schnell wie möglich die Gelegenheit ergreifen, sich privat etwas zu suchen. Weit verbreitete Praxis ist es, sich zu größeren Gruppen zusammenzuschließen und gleich ein ganzes Einfamilienhaus zu mieten. In so einer Wohngemeinschaft unterzukommen, ist oft das beste, was einem passieren kann. Die Preise sind in der Regel für englische Verhältnisse sehr erträglich und man hat schnell Kontakt zu Einheimischen.