La Paz

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Spektakuläre, supertolle Stadt

Blitzblanke Schuhe und Wahnsinn

Von der neuen und der alten Welt

In jedem gut sortierten Lonely-Planet-Guide oder sonstigen Backpacker-Broschüren wird La Paz als flirry, catchy, buzzing, wracking Metropole verkauft. Obwohl natürlich kein Mensch die genaue Übersetzung solcher Wörter kennt oder versteht, kann sich jeder denken, was gemeint ist. Das Blöde und Angähnende ist nur, derartige Kontonationen finden sich bei eigentlich jeder Hauptstadt im Lonely Planet, egal ob Istanbul, la Paz oder Peking.

Aus unserer Sicht ist La Paz noch viel mehr, nämlich handy und zugleich untrendy, wuselig, wirbelig, tranig und trottelig.

Gut, auch hierfür fehlen die entsprechenden Übersetzungen, aber man dürfte, sollte, müsste merken, dass es sich hier um einen riesengroßen Markt handelt, ja den Markt dieser Welt schlechthin; eigentlich jeder Große oder Kleine (Heidanei, sitzen und arbeiten hier viele Sechs- bis 14-Jährige - Kinderarbeit wurde in England im 19. Jahrhundert, gähn, Geschichtsunterricht, 7. Klasse ...) auf oder neben der Straße verkauft, verdingt und verscherbelt, Quito oder Lima waren kleine Kinderkaufläden dagegen. Es gibt alles, es schreit alles, es bewegt sich alles, dazu ein Buschaos, ein Stromkabelgewirr, ein Menschenauflauf, ein ganz großer wuseliger Ober-Wahnsinn diese Stadt.

Hervorzuheben natürlich - für den, der hier schon mal war - die Schuhputzer, die hier aus unerfindlichen Gründen die Einzigen sind, die mit einer Kombination aus Michael Jacksonesken und RAF-Stürmern vermummten Sturmmaske rumlaufen (es gibt in der Stadt vielleicht 500 - 1000 dieser Gestalten) und einem Angst und Bange machen. Mir zumindest. Den Locals macht das nix, für schlappe 10 Cent gibt´s Wichse und Creme, es wird geledert und geschrubbt, der Südamerikaner hat eine edle Marotte, die der Europäer nicht in dem Masse nachmachen kann: blitzblanke Schuhe!

La Paz rockt! Ist gar nicht so leicht zu erklären warum, aber es ist die bislang angenehmste Großstadt dieses Kontinentes und darf sich gerne mit solchen über-wow-supertoll-alles-zu-bieten Städten wie Prag oder Berlin messen, zumindest vom In-Faktor, vom Spaß-Faktor, vom Pub-Faktor, vom Yeah-cool-Faktor, ach einfach vom Lebensglück hier.

Jetzt aber nicht denken, La Paz kommt klarobrühig kool wie Berliner Säue daher, janz im Jejenteil verehrte Kundschaft. Det iss Bolivie ud als solches ein Wunder an Irrsinn. Unpünktlichkeit, Chaos, Tranigkeit und eine dermaßen andere Weltvorstellung, dass man manchmal heulen muss.

Sie kommen einfach nicht, sie fahren einfach nicht, sie tun nicht das, was sie versprechen, nein, sie machen einfach die Tür nicht auf, es interessiert die Bolivianer überhaupt nicht, ob da nu Kunden im Laden stehen, es wird weiter gefernseht oder gebrabbelt, und professionell feilschen ist hier auch nicht das Maß der Dinge. Während man in Peru schon mal 50 % verringen konnte, wird hier beleidigt abgewunken und sich umgedreht. Ein richtig stures Eselland und irgendwie ist es trotzdem so viel sympathischer. Ist´s echter?

Zumindest ist es unwestlicher, circa 90 % der Frauen, auch in dieser Großstadt - thats the clou, tragen Tracht, herrlich bunte Tücher, bissken Omamässige Schürzen, Hüte und was man so hat, um zu zeigen, wer man ist und wo die Wurzeln liegen. Und auch Mutter Erde, Patchamama, ist in Bolivien einfach geläufiger. Während man in Ecuador zur Sonnenwendefrage noch an den Weihnachtsmann verwiesen wurde (huah, da stellen sich die Nackenhaare noch auf ...), kennt hier jeder die diversen Naturfeste und -riten, Zauberermärkte und -utensilien sind allgegenwärtig, der Geist des Indianers ist hier am stärksten, am mächtigsten und wird wohl über kurz oder lang noch deutlicher zurück in Erscheinung treten, wenn man den entsprechenden Quellen (Tormento, Regierung) glauben darf.

Na klar, wuselt´s hier nur so vor Handys, die grell schrillen und leuchten, und wir haben´s in La Paz tatsächlich erlebt, erst im 11. Anlauf einen freien Platz in einem Internetladen zu bekommen, aber das wird alles kombiniert mit altem Wissen, mit dem schon bekannten und erwähnten Omni-Animismus, also der Fähigkeit sich dem aristotelischen, europäischen Grundcredo to be or not to be zu widersetzen und ein sowohl als auch mit zahlreichen Schattierungen zu bewahren.

Yappa, rockt ...

Geographisch ist La Paz ebenso (rock)spektakulär wie menschlich, es liegt in einer Art Bergkettenkrater, nicht weit von schneebedeckten Hügeln und ist irgendwie abartig, verrückt anzuschauen. Heute verzichten wir auf weitere Beschreibungen, verweisen auf Google / Images und verabschieden uns als treuer Husar.

Alaaf